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Kindle Notes & Highlights
Die Dunkelheit in tiefster Nacht erschafft eine eigene Sprache, glaube ich. Im Dunkeln entsteht eine seltsame Form von Freiheit; eine beängstigende Verletzlichkeit, die wir uns genau im falschen Moment erlauben, weil wir glauben, die Dunkelheit bewahre unsere Geheimnisse. Dabei vergessen wir, dass die Schwärze keine Decke ist; wir vergessen, dass die Sonne bald aufgehen wird. Doch in diesem einen Moment sind wir mutig genug, Dinge zu sagen, die wir bei Tageslicht niemals aussprechen würden.
Was sind Worte, denke ich, doch für unberechenbare Wesen. Kein Gewehr, kein Schwert, keine Armee, kein König wird jemals mächtiger sein als ein Satz. Schwerter können verletzen und töten, aber Wörter stechen zu und bohren sich in unsere Knochen, wo sie bis in alle Ewigkeit stecken bleiben.
»Hast du es eigentlich nicht irgendwann satt, derartig unausstehlich zu sein? Deine Ausstrahlung ist in etwa so angenehm wie die verrottenden Innereien eines überfahrenen Gürteltiers.«
»Verstehst du denn nicht?« Er schaut mich an, und in seinen Augen liegen solche Verzweiflung und solche Qual, dass mir der Atem stockt. Jetzt bin auch ich plötzlich zittrig. »Was denn?« »Ich liebe dich.« Und jetzt bricht die Fassade. Seine Stimme. Seine Haltung. Sein Gesicht. Alles verändert sich. Er muss sich auf den Schreibtisch stützen. Kann mich nicht ansehen. »Ich liebe dich«, wiederholt er, und seine Stimme klingt rau und weich zugleich. »Ich liebe dich, aber das reicht nicht aus. Und ich hatte geglaubt, es würde ausreichen. Ich hatte geglaubt, ich könnte um dich kämpfen, und ich habe
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Wie Fragezeichen sind wir, verworren und verknotet am Ende seines Lebenssatzes.
Ich wünsche mir, dass du eine Liste von allem machst, was du liebst. Und sie soll meinen Namen enthalten.
Worte sind wie Samen, denke ich, die in jungen Jahren in unser Herz gestreut werden. Dort sprießen sie, während wir heranwachsen, schlagen Wurzeln in unserer Seele. Die guten Worte entwickeln sich zu gesunden Pflanzen, die uns stützen; zu starken Baumstämmen, die uns Halt geben, wenn wir uns schwächlich und unsicher fühlen. Die schlechten Worte schaden uns. Dann faulen unsere Stämme und werden innen hohl, bieten nur noch den Interessen anderer Heimstatt, nicht unseren eigenen. Wir sind gezwungen, die Früchte dieser Worte in uns aufzunehmen, und sind Geiseln der Äste, die uns umschlingen und
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