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Kindle Notes & Highlights
Der hohe Schutzwall, der mich umgibt, kommt leicht zum Einsturz. Das geschieht nicht oft, aber doch hin und wieder. Unerwartet fällt die Mauer, sodass ich der Welt nackt gegenüberstehe.
AUF DER GANZEN WEITEN WELT FINDET SICH NIRGENDS EIN ORT, DER DIR ZUFLUCHT BIETEN KANN – OBWOHL SCHON DAS KLEINSTE ECKCHEN GENÜGEN WÜRDE.
DENKST DU: JA, GENAUSO SIEHT ES IN MEINEM HERZEN AUS.
aber ihre Gene in mir kann ich nicht löschen. So wenig wie ich mich selbst aus mir vertreiben kann.
Und schwer ist es auch, die äußere Wirklichkeit von den Regungen des Herzens zu unterscheiden.
Es gibt so vieles, das ich nicht weiß.
Wie beim Fade-out auf der Leinwand versinkt die Welt um mich herum allmählich, und ich betrete ganz allein das Reich zwischen den Seiten. Dieses Gefühl liebe ich mehr als jedes andere.
Das tägliche Leben beherrscht unser Denken und Fühlen, und viele wichtige Dinge sind wie erkaltete, alte Planeten aus unserem Bewußtsein verschwunden.
Die aufregenden Dinge auf der Welt hat ein Mensch sehr schnell satt, und die Dinge, derer er nicht überdrüssig wird, sind meist langweilig. Zwar gibt es in meinem Leben langweilige Perioden, Überdruss jedoch empfinde ich nicht. Die meisten Menschen können beides nicht voneinander unterscheiden.«
Man kann ja nie wissen, wie lange das Gedächtnis die wirkliche Form der Ereignisse bewahrt.
Die Augen zu verschließen ist etwas für Schwächlinge. Nur Feiglinge wenden den Blick von der Realität ab. Auch wenn du Augen und Ohren verschließt, tickt die Zeit. Tick-tack, tick-tack.«
Das Glück hat nur ein Gesicht, aber das Unglück hat für jeden Menschen ein anderes. Wie Tolstoi gezeigt hat. Das Glück ist eine Allegorie, das Unglück eine Geschichte. Nun,
»Mein lieber Kafka Tamura, es gibt Punkte, an denen wir unser Leben nicht mehr zurückdrehen können. Und es gibt, wenn auch selten, Punkte, an denen man nicht mehr weiter kann. Ist ein solcher Punkt erreicht, bleibt einem nichts anderes übrig, als alles – ob gut oder schlecht – schweigend hinzunehmen und auf diese Weise zu leben.«
Engstirnigkeit und Intoleranz sind wie Parasiten. Sie wechseln immer wieder ihren Wirt und ändern ihre Form. Es gibt keine Rettung vor ihnen. Ich will nicht, dass sich so etwas hier einschleicht.«
Das Mädchen und ich bewegen uns in zwei durch eine unsichtbare Grenze voneinander getrennten Welten.
DU HAST DICH IM LABYRINTH DER ZEIT VERIRRT. DAS GRÖSSTE PROBLEM IST ALLERDINGS, DASS DU NICHT EINMAL DEN WUNSCH HEGST, DEN AUSGANG ZU FINDEN. STIMMT’S?
»Also hat Saeki-san die Worte in irgendeinem anderen Raum gefunden – zum Beispiel im Traum?« »Bei einem herausragenden Gedicht ist das mehr oder weniger immer so. Wenn die Worte darin keinen prophetischen Zugang zum Leser finden können, hat es seine Funktion als Gedicht verfehlt.«
Deshalb muss ich ja auch hier leben, wo die Menschen Schaden erleiden, die Herzen sich wandeln und die Zeit unaufhaltsam vergeht.« Eine Weile schweigt sie, wie um den Fluss
Alle Gegenstände sind Wandlungen unterworfen. Die Erde, die Zeit, die Begriffe, die Liebe, das Leben, die Überzeugungen, die Gerechtigkeit, auch das Schlechte, alles fließt und ist vergänglich. Es gibt nichts, das für die Ewigkeit an einem Ort und in einer Gestalt verharrt. Das ganze Universum ist im Grunde genommen ein gigantischer Paketservice.« »So?«
Auf dieser Welt haben letztlich die Menschen die besten Überlebenschancen, die hohe, dauerhafte Zäune errichten. Wenn du die nicht anerkennst, wirst du in die Wildnis gejagt.«
So ist es eben mit der Liebe, junger Kafka. Himmelhoch jauchzend bist du allein, zu Tode betrübt bist du auch allein. Dein Körper und dein Herz müssen es ertragen.«
»Neben der Welt, in der wir leben, existiert stets noch eine andere, die wir bis zu einem gewissen Punkt betreten und aus der wir dennoch wieder heil zurückgelangen können. Wenn wir vorsichtig genug sind. Doch wenn eine bestimmte Grenze überschritten ist, gibt es kein Zurück mehr.
Glauben Sie, dass Musik die Kraft hat, einen Menschen zu verändern? Ich meine, jemand hört irgendwann eine bestimmte Musik, und die bewirkt eine völlige Veränderung in seinem Inneren, so was in der Art?« Oshima nickte. »Natürlich gibt es das. Wir machen eine Erfahrung, und die setzt etwas in uns in Gang. Wie bei einer chemischen Reaktion. Wenn wir uns anschließend erforschen, stellen wir fest, dass unsere Maßstäbe um eine Stufe gestiegen sind.
»Erinnerungen sind das, was Ihren Körper von innen wärmt. Zugleich können Erinnerungen Sie innerlich auch in Stücke reißen.«
In einer Welt, in der die Zeit regiert, lässt sich nichts rückgängig machen.
»Ist die Erinnerung denn so wichtig?«, frage ich stattdessen. »Es kommt darauf an«, sagt sie und schließt kurz die Augen. »In manchen Fällen kann sie wichtiger sein als alles sonst.«
»Wir alle verlieren ständig Dinge, die uns wichtig sind«, sagt er, nachdem das Klingeln aufgehört hat. »Wichtige Gelegenheiten und Möglichkeiten, oder unwiederbringliche Gefühle. Das macht das Leben aus. Aber in unserem Kopf – oder vielleicht sogar der Kopf selbst – ist ein kleines Zimmer, in dem diese Dinge als Erinnerungen aufbewahrt bleiben.

