Shantaram
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Kindle Notes & Highlights
Read between May 4 - June 25, 2025
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Die beiden besten Freunde des Schmugglers sind das Maultier und das Kamel. Maultiere transportieren heiße Ware durch die Grenzkontrolle. Kamele sind ahnungslose Touristen, die dem Schmuggler behilflich sind, über die Grenze zu kommen.
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Mein Herz trieb in stillem, dunklem Wasser. Nichts und niemand konnte mich wirklich verletzen. Nichts und niemand konnte mich wirklich glücklich machen. Ich war hart, was wohl das Traurigste ist, das man über einen Mann sagen kann.
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Eine Hauptattraktion der Bar waren die Spiegelverkleidungen an Säulen und Wandflächen, in denen sich die Gäste gegenseitig betrachten, bewundern und begutachten konnten. Das Leopold’s war ein Ort für Leute, denen das Sehen und Gesehenwerden wichtig war – und die sich überdies selbst gerne dabei zusahen, wie sie von anderen gesehen wurden.
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Es gibt einen Unterschied zwischen unehrlichem und ehrlichem Bestechungsgeld, hat Didier Levy einmal zu mir gesagt. Das unehrliche Bestechungsgeld gibt es überall auf der Welt, aber das ehrliche gibt es nur in Indien.
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ich glaube, es hat mit dem Meer zu tun. Der Atlantik. Ich finde Biarritz im Winter am schönsten, wenn die Touristen weg sind und das Meer so beängstigend ist, dass die Leute zu Stein erstarren. Man sieht sie wie Statuen an den verlassenen Stränden stehen, zwischen den Klippen, und aufs Meer starren, versteinert vor Angst beim Anblick des Ozeans. Der Atlantik ist nicht wie der warme Pazifik oder der Indische Ozean. Im Winter ist er unerbittlich, gnadenlos und grausam. Du spürst, wie er dich ruft, und du weißt, dass er dich hinauslocken und in die Tiefe ziehen will. Er ist so wunderschön, dass ...more
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»Fahr mit ihm, Lin«, sagte er. »Begleite Prabaker in sein Dorf. Im Herzen jeder Stadt steckt ein Dorf. Und du wirst die Stadt nie verstehen, bevor du das Dorf nicht verstanden hast. Fahr hin. Wenn du wiederkommst, sehe ich ja, was Indien aus dir gemacht hat. Bonne chance.«
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Die übrigen Passagiere im Waggon und im Gang verhielten sich ebenso respektvoll und umsichtig. Damals, auf meiner ersten Reise in das ländliche Indien, erboste mich die plötzliche Höflichkeit nach dem wilden Gerangel beim Einsteigen. Es kam mir heuchlerisch vor, dass man sich wegen einer kleinen, unbeabsichtigten Berührung so ehrerbietig und besorgt zeigte, nachdem sich die Leute wenige Minuten zuvor beinahe gegenseitig aus dem Fenster gestoßen hatten.
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Als wir uns dem Zielbahnhof näherten, hatte ich jedoch schon genügend Übung, um den Kopf ebenso gelassen zu wiegen wie die anderen. Das Kopfwiegen war die erste indische Geste, die mein Körper erlernte, und damit begann eine Verwandlung, die mein Leben bestimmt hat in all den langen Jahren seit jener Reise der bevölkerten Herzen.
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Durch die selbst auferlegte Marter lag ein beinahe unirdisches Strahlen auf den Gesichtern der Babas. In der Pein ihrer endlosen aufsteigenden Schmerzen erlangte jeder von ihnen früher oder später eine leuchtende, transzendente Seligkeit. Ihre Augen verströmten ein Licht, das aus den erlittenen Qualen geboren war, und nie habe ich bei Menschen ein intensiveres Strahlen aus dem Inneren erlebt als im gepeinigten Lächeln der Stehenden Babas.
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Er ging, ohne mir zu danken, wie es üblich war bei den Leuten, die ich in meiner Hütte behandelte. Ich wusste, dass er mich demnächst zum Essen einladen oder mir Obst oder besonderes Räucherwerk schenken würde. Die Menschen brachten ihre Dankbarkeit durch Taten zum Ausdruck, statt sie in Worte zu kleiden, und ich war mit diesen Gepflogenheiten inzwischen vertraut.
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»Ich weiß nicht, was mir mehr Angst macht«, sagte sie, »der Wahnsinn, der Menschen zerstört, oder ihre Fähigkeit, ihn zu ertragen.«
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Und das ist einer der zahllosen Gründe, warum ich die Inder liebe: Wenn sie jemanden mögen, tun sie ihre Zuneigung sehr schnell und von ganzem Herzen kund.
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In gewissem Sinne gründete das Ghettoleben auf solchen anonymen, nicht mit Dank zu vergeltenden Taten: Jede für sich genommen war unbedeutend, fast banal, in ihrer Summe jedoch waren sie entscheidend für das Funktionieren des Slums. Wir beruhigten die weinenden Nachbarskinder wie unsere eigenen. Wir spannten eine lose Schnur an einer Hütte, wenn wir merkten, dass diese zusammensackte, rückten im Vorbeigehen ein verrutschtes Plastikdach zurecht. Wir halfen einander, ohne zu fragen, als wären wir Angehörige eines einzigen großen Stammes oder einer riesigen Familie.
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Das Spießrutenlaufen kannte ich nur zu gut. Ich war schon in einem anderen Land durch einen solchen Tunnel des Schmerzes gegangen: im Straftrakt des australischen Gefängnisses, aus dem ich geflohen war. Die Wärter dort hatten uns durch einen langen, engen Korridor Spießruten laufen lassen, der zu den winzigen Gefängnishöfen führte. Sie hatten ihre Knüppel geschwungen und nach uns getreten, als wir zu der Stahltür am anderen Ende rannten.
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Er lächelte. Wie viel Böses tatsächlich in einem Menschen steckt, erkennt man erst, wenn man ihn lächeln sieht.
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»Erinnerst du dich daran, was Karla mal über Geheimnisse sagte, als wir hier saßen?« »Nee, Mann. Was denn?« »Wenn es nicht wehtut, dass man es für sich behalten muss, ist es kein Geheimnis.«
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Solche Menschen wie hier gibt es nirgendwo sonst, Lin. Das indische Herz ist einzigartig.«
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Und als ich dieses Lächeln sah, verstand ich plötzlich, dass mich noch etwas anderes in der Stadt hielt. Mir wurde klar, dass mich das Herz, das indische Herz, von dem Vikram gesprochen hatte – das Land, in dem das Herz regiert –, in Bombay hielt, obwohl mir mehrere Stimmen in meinem Innern zuraunten, ich solle unter allen Umständen abhauen. Dieses indische Herz war für mich die Stadt. Bombay. Die Stadt hatte mich verführt. Ich liebte sie. Es gab einen ganzen Teil von mir, den sie erschaffen hatte, der nur existierte, weil ich hier lebte, weil ich ein Mumbaiker, ein Bombayer geworden war.
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Die Alles-und-Nichts-Droge: Sie nimmt dir alles und gibt dir nichts. Doch das Nichts, das sie dir gibt, diese Leere bar jeder Gefühle, ist manchmal das Einzige, was man noch haben will.
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Und das war jener Augenblick des Hochgefühls gewesen, den ich als glorreich empfunden hatte, als ich aufs Feuer der feindlichen Gewehre zurannte: diese unsinnige Verschwendung von Leben, dieser Beschuss durch die eigenen Leute. Nichts daran war glorreich oder ehrenvoll. Und es ist niemals so. Es gibt nur Mut und Angst und Liebe. Und der Krieg tötet das alles, eines nach dem anderen. Glorie, die Pracht und die Herrlichkeit, gehören zu Gott. Und Gott kann man nicht mit einer Waffe dienen.
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Ich wollte es. Ich wollte die Droge sofort, in diesem Augenblick, mehr als alles andere auf der Welt. Meine Haut erinnerte sich an die seidige Wärme der Ekstase und das flechtenartige Grauen des Fiebers und der Angst. Die Erinnerung an den Geruch, den Geschmack, war so stark, dass ich zu würgen begann. Der Hunger nach Vergessen ohne Schmerz, ohne Schuld und Trauer wirbelte in mir, zitterte überall von meinem Rückgrat bis zu den dicken gesunden Venen an meinen Armen. Ich verlangte nach ihr: der goldenen Minute in der langen bleiernen Nacht des Heroin.