From the Bookshelf of Legendäre Länder…

Der dunkle Fluss

Chigozie Obioma,

Nicolai von Schweder-Schreiner (Translator)

Start date: August 1, 2022

Discussion: Aktuelle Leserunden

Find A Copy At

Libraries

Group Discussions About This Book

Showing 2 of -2 topics — 64 comments total

Aktuelle Leserunden

Mo Yan - Die Schnapsstadt
By Peter · 16 posts · 10 views

last updated 23 hours, 35 min ago

Thome - Gott der Barbaren
By Peter · 18 posts · 10 views

last updated Oct 03, 2025 07:40AM

showing 2 of 2 topics view all »

What Members Thought

Aug 05, 2022 Markus rated it liked it

Shelves: afrika

Heute nachmittags sind mir über den letzten Seiten die Augen zugefallen und ich bin friedlich mit dem Buch auf dem Bauch den dunklen Fluss des Schlafes hinuntergetrieben. Das liegt wohl an der Hitze, oder an meinem Alter - es gab Zeiten, da konnte ich 200 Seiten am Stück lesen. Es gibt aber Bücher, die mich mit ihrer Sprache putzmunter halten. Dieses gehörte offenbar nicht dazu.

Der nigerianisch-stämmige Autor Chigozie Obioma hat einen autobiografisch inspirierten Roman über das Schicksal einer Heute nachmittags sind mir über den letzten Seiten die Augen zugefallen und ich bin friedlich mit dem Buch auf dem Bauch den dunklen Fluss des Schlafes hinuntergetrieben. Das liegt wohl an der Hitze, oder an meinem Alter - es gab Zeiten, da konnte ich 200 Seiten am Stück lesen. Es gibt aber Bücher, die mich mit ihrer Sprache putzmunter halten. Dieses gehörte offenbar nicht dazu.

Der nigerianisch-stämmige Autor Chigozie Obioma hat einen autobiografisch inspirierten Roman über das Schicksal einer Familie in seiner Heimatstadt Akure geschrieben. Vier Brüder gehen an den Fluss fischen, was ihnen streng verboten ist, und treffen auf einen geistesgestörten Obdachlosen, der ihnen eine schreckliche Prophezeiung in die Köpfe setzt. Der Fluch verfolgt sie, er löst eine Kettenreaktion aus Irrsinn, Gewalt und Rache aus und die Folgen reissen die ganze Familie ins Verderben.

Alles ist bedeutungsgeladen und mythisch. Die Geschichte der Familie könnte als Allegorie auf die jüngere Geschichte Nigerias gelesen werden, diesem riesigen Land mit seinen unzähligen Völkern und Religionen, das sich zwischen Stammeskultur und Erdölkonzernen, bösen Geistern und evangelikalen Heilslehren den Verlockungen westlicher Träume erliegt und sich dabei in einer Spirale aus Gewalt und Korruption aufreibt. Der Vater, Angestellter bei der Bank von Nigeria, verkörpert den Fortschritt, die impulsive und abergläubische Mutter steht für die Tradition. Auch der Omi-Ala, der titelgebende Fluss, mit dem alles beginnt, hat seine animistische, dunkle Bedeutung.

Obiama bemüht sowohl biblische Bilder, die schon im Titel des Originals The Fishermen angedeutet werden und er bedient sich einer, ich vermute, auf afrikanischer Tradition beruhenden Tiermetaphorik. Viele Kapitel sind mit Tiernamen betitelt, Adler, Schlange, Reiher, sogar Blutegel und Spinnen müssen herhalten, um Personen, Objekte und Ideen zu beseelen. Ich respektiere die afrikanische Kultur, und auch in unseren Breiten war die Fabel einmal sehr beliebt. Trotzdem mag ich Tiervergleiche nicht. Schließlich interpretiert man sehr willkürlich das Verhalten oder Aussehen von Tieren nach anthropozentrischer Maßstäben, was - wie ich meine - heute nicht mehr angebracht ist.

Die Handlung wird ganz linear, konventionell, ein wenig hausbacken und überaus metaphernreich von Benjamin, einem der Brüder im Rückblick erzählt. In den ersten Kapiteln war ich mir nicht sicher, ob das womöglich die schulaufsatzhafte Stimme des 8-jährigen Ben sein soll. Das wird im weiteren Verlauf aber eindeutig besser und vielleicht ist es auch nur ungeschickt übersetzt - die englische Sprache ist diesbezüglich ja toleranter.

Die Geschichte selbst ist durchaus interessant. Es wird anschaulich vorgeführt, wie Gewalt aus einem geringfügigen Anlass in einer gewaltbereiten Umgebung entsteht, ihre unumkehrbare Eigendynamik entwickelt und eskaliert. Die Dynamik innerhalb der Familie und der Druck der gesellschaftlichen Verhältnisse verstärken den Prozess in wechselseitiger Abhängigkeit. Allerdings hatte ich manchmal den Eindruck, dass manche soziale und psychologische Details im Sinne der Symbolik zurechtgebogen werden, das wirkt dann holprig.

Sehr gut gefielen mir Szenen, in denen sich Akteure von A nach B bewegen und der Autor dabei Bilder der Umgebung, der Passanten, Straßenverkäufer, Wellblechhütten und Marktstände zeichnet. Das Ambiente ist wirklich gelungen und ich bekam einen lebendigen Eindruck von diesem mir völlig fremden Land. Aufschlussreich waren auch viele Details über Land und Leute, über die verschiedenen Sprachen und Gewohnheiten, und ich stieß auch auf einige vom Autor vielleicht gar nicht beabsichtigte, aber bemerkenswerte Einsichten, etwa wie kompatibel Stammeskult und Aberglaube mit evangelikalem Gottvertrauen ist.

Am Ende ergibt sich für mich ein durchzogener Eindruck und ein moderates Rating für einen Debutroman, der mich mit seiner metaphorischen Überfrachtung zwar ermüdet hat, dem ich aber trotzdem einige Lichtblicke abgewinnen konnte. Obiomas zweiter Roman "Das Weinen der Vögel" bleibt jedenfalls nach wie vor auf meinem Einkaufszettel. ...more

14 likes · Like · see review

Aug 18, 2022 Babette Ernst rated it liked it

Mein zweites Buch in diesem Jahr, das in Nigeria spielt. Während Adichie in „Die Hälfte der Sonne“ den Biafrakrieg Ende der Sechziger Jahre thematisiert, befinden wir uns hier Mitte der Neunziger Jahre und lesen vordergründig eine Familiengeschichte mit allerhand Interpretationsspielraum. Es werden die Erinnerungen des heute 29-jährigen Benjamin erzählt, beginnend zwanzig Jahre zuvor, als der Vater beruflich in den Norden versetzt wurde und die Mutter mit sechs Kindern zurückließ. Dem ältesten S Mein zweites Buch in diesem Jahr, das in Nigeria spielt. Während Adichie in „Die Hälfte der Sonne“ den Biafrakrieg Ende der Sechziger Jahre thematisiert, befinden wir uns hier Mitte der Neunziger Jahre und lesen vordergründig eine Familiengeschichte mit allerhand Interpretationsspielraum. Es werden die Erinnerungen des heute 29-jährigen Benjamin erzählt, beginnend zwanzig Jahre zuvor, als der Vater beruflich in den Norden versetzt wurde und die Mutter mit sechs Kindern zurückließ. Dem ältesten Sohn wurde die Verantwortung übertragen, mit der dieser nicht zurechtkam. Die vier älteren Jungen gingen aus Langeweile oder auf der Suche nach Abenteuern an einen verbotenen Fluss, um zu angeln und lockten so nach althergebrachtem Aberglauben das Unglück an.

Ich habe die Handlung zunächst als reine Familiengeschichte gedeutet. Als der autoritäre und mit Gewalt strafende Vater die Familie verlässt und nur ab und zu besucht, können die Söhne, besonders in der Pubertät, nicht mit der Freiheit und Verantwortung umgehen. Dabei fand ich einige Parallelen z. B. zu den verlorenen Jugendlichen bei Clemens Meyer („Als wir träumten“). Es lässt sich aber auch viel erfahren vom Alltag in Nigeria in den Neunziger Jahren, zu Armut und Genügsamkeit, zu Fleiß und Alkoholismus, zu Müll, Verwahrlosung und Umgang mit Alten und Kranken. Oft merkte ich, dass Obioma selbst in Arube, dem Ort der Handlung, aufwuchs und aus eigenem Erleben schöpfen konnte, so dass die Stadt und der Familienalltag sehr plastisch wurden.

Darüber hinaus sind die Familienereignisse häufig mit politischen Ereignissen in Nigeria verknüpft, wobei ich unschlüssig bin, ob der zeitliche Zusammenhang und die direkten Auswirkungen auf die Familie gezeigt werden sollten, oder ob es eine viel größere symbolische Bedeutung der Hauptpersonen und des verbotenen Flusses gibt. Hier ließen sich zahlreiche Vergleiche ziehen, z. B. wie der Staat Nigeria nach Wegfall der kolonialen, unterdrückenden Autorität mit der Selbstverantwortlichkeit Probleme hatte. Wie sollen nach den Gewalterfahrungen der Vergangenheit plötzliche demokratische Prozesse entstehen, wie sollen die Volksgruppen (Brüder) respektvoll miteinander umgehen, wenn der Aberglauben und alte Legenden von Feindschaft flüstern und christliche Religionen nur Selbstbeschränkungen fordern und von Bestrafungen sprechen?

Der Deutungsspielraum war mir zu groß, zu unklar oder auch zu eindeutig, dann aber plakativ. Als Familiengeschichte vor dem Hintergrund des Lebens in Nigeria gefiel mir die Geschichte jedoch gut.
Der Ich-Erzähler Benjamin pendelte im Erzählstil zwischen der Ausdrucksweise eines neunjährigen Jungen über den 29-jährigen Erzähler von vergangenen Ereignissen zum amerikanischen Autor nigerianischer Herkunft, der eine Schule für kreatives Schreiben besucht hat. Wenn der Neunjährige z. B. im Alltag den Verfall seiner Umgebung wahrnimmt, kam mir das unglaubwürdig vor, eher wie der Blick eines Amerikaners beim Besuch von Nigeria. Jedes Kapitel war mit Tiersymbolen überschrieben, wobei das Tier mit einer Person verglichen wurde. Das passte zwar einerseits zur bunten, symbolhaften Erzähltradition afrikanischer Märchen und Fabeln, manche Vergleiche waren aus meiner Sicht sehr gelungen, aber andererseits wirkten die Vergleiche zu gewollt, manche regelrecht unpassend.

Insgesamt ist ein wirklich lesenswertes Buch, das Debut eines Autors, den ich weiter verfolgen werde.
...more

10 likes · Like · see review

Group Home Bookshelf Discussions

Photos Videos

Send invite Members Polls