Wie kann man nach der „MeToo-Debatte“ noch über Lust, Macht und Gleichheit denken und sprechen? Für Bestseller-Autorin und Friedenspreisträgerin Carolin Emcke hat die Debatte vor allem eines gezeigt: Es ist ein Gespräch über Missbrauch und Sexualität entstanden, das nicht wieder abgebrochen werden kann. Denn die Fragen bleiben: Welche Bilder und Begriffe prägen unsere Vorstellungen von Lust und Unlust? Wie lässt sich Gewalt entlarven und verhindern? Wie bilden sich die Strukturen und Normen, in die Männer und Frauen und alle dazwischen passen müssen? Was wird verschwiegen, wer muss ohnmächtig bleiben? Wie lassen sich Lust und Sexualität in ihrer Vielfalt ermöglichen – ohne Vereindeutigung? Indem sie eigene Erfahrungen, soziale Gewohnheiten, Musik und Literatur befragt, zeigt Carolin Emcke, wie kompliziert das Verhältnis von Sexualität und Wahrheit immer noch ist.
Carolin Emcke, geboren am 18. August 1967 in Mülheim an der Ruhr, lebt als freie Publizistin in Berlin. Sie studierte ab 1987 Philosophie, Politik und Geschichte in London, Frankfurt am Main und an der Harvard University. Ihre Doktorarbeit „Kollektive Identitäten. Sozialphilosophische Grundlagen“ wurde 2000 im Campus Verlag veröffentlicht.
Von 1998 bis 2006 arbeitete Carolin Emcke als festangestellte Redakteurin beim Nachrichtenmagazin DER SPIEGEL. Ab 1999 bereiste sie als Auslandsredakteurin zahlreiche Krisenregionen und berichtete unter anderem aus dem Kosovo, Afghanistan, Pakistan, Irak und dem Gaza-Streifen. Aus den Briefen, die sie zwischen 1999 und 2003 an ihre Freunde schrieb, entstand 2004 ihr erstes Buch „Von den Kriegen – Briefe an Freunde“ (S. Fischer Verlag).
2003 bis 2004 ging Carolin Emcke für ein Jahr als Visiting Lecturer an die Yale University und lehrte unter anderem über „Theorien der Gewalt“. Seit 2004 kuratiert und moderiert sie zudem die monatliche Diskussionsreihe „Streitraum“ an der Berliner Schaubühne. Von 2007 bis 2014 arbeitete sie als freie Autorin für DIE ZEIT und veröffentlichte Reportagen aus dem Irak, Haiti, dem Gazastreifen sowie zahlreiche Essays. Seit Oktober 2014 schreibt sie für die Wochenendausgabe der Süddeutschen Zeitung eine wöchentliche Kolumne.
Carolin Emcke wurde mit zahlreichen Preisen ausgezeichnet, unter anderem mit dem Lessing-Preis des Freistaats Sachsen (2015), dem Johann-Heinrich-Merck-Preis für literarische Kritik und Essay (2014) und dem Theodor-Wolff-Preis (2008). 2010 wurde sie zur Journalistin des Jahres gewählt. Im Oktober 2016 wird mit „Gegen den Hass“ eine essayistische Auseinandersetzung mit dem Rassismus, dem Fanatismus und der Demokratiefeindlichkeit erscheinen.
2016 erhält sie den Friedenspreis des Deutschen Buchhandels.
Quelle: Börsenverein des Deutschen Buchhandels e.V.
Sehr erfrischend die Thematik mal als Bühnentext verpackt zu lesen. Ich hätte es jetzt natürlich gerne auch aufgeführt erlebt, funktioniert so aber auch sehr gut.
Großartige Gedanken einer großartigen Schriftstellerin - noch nie habe ich es erlebt, dass man so sinnlich und gleichzeitig philosophisch über ein wichtiges gesellschaftliches Thema schreiben kann.
12 Da soll vor etwas gewarnt werden aber was das sein soll, wird nicht benannt. Es wird nicht beschönigt, denn sonst brauchte davor ja nicht gewarnt zu werden. Es wird das, was jemand einem antun kann, beschwiegen. Als sei es unanständig, es auszusprechen - anstatt die Tat zu unterdrücken, wird das Reden über unterdrückt.
So wird nicht die verbrecherische Handlung tabuisiert, sondern das Sprechen. Von Anfang an. So unterwandert die Erwartung nicht der, der Gewalt ausübt sondern jene, die davon erzählen wollen. Die sprachliche Verdrängung verschiebt die Last der Rechtfertigung. Es kommt sich falsch oder schmutzig vor, wer über etwas sprechen will, über das nicht gesprochen wird.
18 Was ist das für eine Vorstellung: dass Menschen durch die Welt gehen und immer und jederzeit antizipieren sollen, Objekt eines anderen zu sein. Wie sollen das Eltern ihren Kindern vermitteln, wie haben das Generationen von Müttern (oder Vätern) vermittelt? Was für eine Aufgabe: Alle Eltern möchten, dass ihre Kinder ohne Angst durch die Welt gehen, dass sie sich geschützt fühlen und frei, aber sie möchten auch nicht, dass ihre Töchter (oder Söhne) ahnungslos bleiben im Hinblick auf das, was andere in ihnen sehen oder was andere ihnen antun wollen. Generationen sind aufgewachsen mit diesem unpräzisen Wissen um ihre Verletzbarkeit - und das begleitet uns durch das Leben hindurch.
35 Sie wollte, dass nicht geschehen war, was geschehen war, wollte nicht darüber sprechen, als ob es mit dem Sprechen erst wahr werden würde, als ob es sich dann nicht mehr leugnen ließe.
36 In der Küche konnten wir sprechen. Die Küche als geschützter Raum. Klassiker.
49 Vielleicht trifft es der Begriff queer deswegen am besten, weniger als Adjektiv, sondern eher als Verb, to queer or to queer something: etwas unterlaufen, durchkreuzen, vereiteln, vermasseln. Das Essentialisierende, identitär Verklumpende, das, was wieder Regeln, Bedingungen, »Echtes« und »Unechtes« , »Authentisches« und »Nichtauthentisches« definieren will - das vermassel ich immer. Gar nicht mit böser Absicht. Sondern ganz von allein.
57 Ohne die Fähigkeit und Möglichkeit des Nachdenkens jenseits der eigenen Bedürfnisse, jenseits der eigenen Gruppe, Klasse, Lebensform, ohne das Entwickeln von Begriffen und Vergleichen zwischen unterschiedlichen Erfahrungen kann keine Gerechtigkeit, keine Anerkennung, keine Freiheit gedacht werden.
super wichtiges Werk zum Thema Sex, Macht und Einverständnis Carolin Emcke gibt einen kurzweiligen, persönlichen sowie wissenschaftlichen Einblick in ein Thema, mit dem (vor allem Frauen) im Alltag ständig konfrontiert werden. Zudem wirft sie viele Fragen auf, die einen veranlassen, das Buch als Basis zum Weiterdenken zu nutzen, und stellt wertvolle und kluge Verknüpfungen und Zusammenhänge dar. Ihre fachliche Expertise und poetische Ausdrucksweise sind bemerkenswert.
Das Buch ist eine Sammlung an Gedanken, die sicher viele schon hatten, aber intelligent formuliert. Es ist kein Vorwurf, sondern eher kluge Beobachtungen. Ich liebe daran, dass es keine wirkliche Struktur gab sondern es eher ein Schreiberguss war. Das lässt Raum für eigene Empfindungen. Danke Bella ;) 💜
Das Buch entstand nach einem Soloabend auf der Berliner Schaubühne und bildet die Perspektive von Carolin Emcke ab. Thematisch geht es um - ja um was eigentlich. Macht, Sexualität, Gewalt, Consens? Mir fehlt im Text der rote Faden, die Abfolge der Themen ist sehr assoziativ und bleibt an der Oberfläche. Inhaltlich kann ich nur bedingt anschließen - zu sehr sind mir die Beispiele aus weißer Perspektive gehalten. Wo Emcke für ein Gemeinsames plädiert hebelt sie dies ein paar Sätze später direkt selbst wieder aus, in dem Sie "Wir" und andere gegenüberstellt: "...ob wir nachhaltig etwas verändern, wird auch davon abhängen, ob wir das Wir, das ich hier so leichtfertig verwende, immer wieder erweitern, damit sich mehr Menschen mit den unterschiedlichsten Erfahrungen angesprochen fühlen." Das "Wir" wird an keiner Stelle definiert. Aus dem Text wird jedoch klar, dass es um eine rein weiße Perspektive geht. An anderer Stelle thematisiert Emcke Gewalt gegen Frauen, lässt den Begriff Feminizid aber vermissen. Ich möchte auch der Einschätzung/ Empfehlung widersprechen, demütig mit eigenen Privilegien umzugehen - damit ist noch niemandem geholfen. Den Schritt hin zu Klassenbewusstsein hätte ich hier angebracht gefunden.
Fragend, suchend, beeindruckend selbstreflektiert und an den entscheidenen Stellen ganz entschieden wagt sich Carolin Emcke an ein Thema heran, das oft sprachlos macht. Es geht um Macht und den Missbrauch von Macht, um Ohnmacht, die aus gesellschaftlichen Strukturen heraus entsteht, und Wege, uns zumindest ein Stück weit daraus zu befreien.
Die Struktur des Buches ähnelt der von Gedanken - mal in die eine, mal in die andere Richtung schweifend - und es bleibt (zumindest bei mir) auch auf diese Art hängen - als einzelne Gedanken, die sich nicht zu einem einzigen schlüssigen Fazit vereinen. Es ist ein sympathisches Buch - eins, das Raum für Komplexität lässt, das nicht vorgibt, die Antworten auf Fragen zu kennen, auf die es vielleicht nicht die eine richtige Antwort gibt, und somit zum Weiterdenken anregt. Eine ganz klare und wichtige Grenze wird dennoch gezogen: die zwischen Lust auf der einen Seite und Missbrauch und Nötigung auf der anderen. Dabei hat Emcke immer auch die Menschen im Blick, die bestimmten Normen nicht entsprechen und Diskriminierung erfahren.
It‘s an easy to read book, more of a doubting and questioning. It‘s very clear from the text that it was intended for spolen work/theatre which makes it so easy to read. Not much new for me.
Carolin Emcke, famous for her work in journalism across troubled regions as well as theatre adaptations of sociological topics, writes about feminism from a her personal experience as a homosexual woman. The writing reminds of a play script with many paragraphs and rhythmic sentences. Her thesis is simple: Emancipation often starts with stories that we tell each other in careful, quiet conversations. She takes a stance against the culture of justifications ('I should be allowed to say this'), the dramatisation of movements (#metoo eradicates flirtations), victimblaming and quietly accepting injustices. And she provokes. She argues that an open dialogue between population affected and unaffected by sexism is the only approach, that pointing out misbehaviours is mandatory, that we often look away rather than ask and she defines responsibility as a shared virtue of all members of society than jointly have the power to overcome societal issues. Her suggestion is also to tackle a variety of topics, as 'There is no hierarchy of suppression.' and therefore no conflict between advocate groups. Rather, they should unite in the struggle to achieve the very same virtue: Equality. 'In the beginning, there is doubt. Before every sentence, every word, there is the obstacle: Is it right? Is it? Is it true? An that is only the doubt concerning what is said... Without doubt and listening, without dialogue, we would not be able to learn, we would not be able to experience lust, we would not be our very selves.'
Carolin Emcke spricht in ihrem Bühnenprogramm über Macht, Lust, Nötigung, Ausgrenzung und Alltagsrassismus. Es geht sowohl um #metoo und sexualisierte Gewalt von und gegenüber Frauen, Männern und Transpersonen als auch um die bewusst klanggleiche Bewegung zu #MeTwo und der Diskriminierung von Menschen mit Migrationshintergrund.
Sie schreibt, es fällt leichter zu glauben, dass Diskriminierung nicht existiere, wenn sie nicht zum eigenen Alltag gehört. Wichtig sei aber, dass auch jede:r ohne persönliche Diskriminierungs- oder Missbrauchserfahrung sich zu diesen Themen äußert. "Strukturelle Ungleichheit oder asymmetrische Machtverhältnisse lassen sich auch kritisieren, wenn man selbst nicht zu denen gehört, die dadurch benachteiligt werden. (...) Warum sollten sich nicht auch Weiße kritisch zu strukturellem Rassismus äußern dürfen, Heterosexuelle zu Homophobie, Atheisten zu Religionsfreiheit, Männer zu Sexismus? Ich erwarte das sogar von ihnen." Carolin Emcke fordert uns alle auf, Stellung zu beziehen, Ungerechtigkeit zu kritisieren und laut zu werden.
I read it in maybe two hours only because I stopped to highlight a few passages. It is a collaboration of thoughts more than a fluid story and was done so deliberately to keep the conversation open and inclusive.
“For the sake of pleasantness, we tolerate unpleasant humiliations.”
It addresses rape, domestic abuse, gender identity and biases. It discusses the disappointment of the shame victims carry after an assault so TO them! Why as women we put up with men talking down to us and others around us and turning a blind eye to abuse. It was a book that made my skin crawl.
Carolin Emcke schreibt so klug und klar und präzise. Sie beschreibt und benennt Dinge, für die ganze Gesellschaften keine Worte finden. Sie schreibt nie auch nur ein Wort zu viel, sondern immer auf den Punkt.
Ich konnte das Buch gar nicht mehr aus der Hand legen. Obwohl schon 6 Jahre alt, ist es aktueller denn je. Eigentlich als Bühnenstück aufgeführt und im Nachgang auf gute 100 Seiten verpackt. Teils kurze Gedankengänge, aber nie oberflächlich.
„Ohne Zweifel und das genaue Hinhören, ohne das Dialogische wären wir nicht mehr lernfähig, nicht mehr lustvoll nicht mehr wir selbst.“
Es braucht weiterhin mehr Aufklärung und Sensibilisierung, mehr Diversität und gelebte Intersektionalität, auch prekäre(re) und marginalisierte(re) Lebenswelten müssen Teil der Diskussion und der Kritik an Machtmissbrauch und Sexismus sein. Und dafür braucht es den Dialog zwischen Allen.
Sehr kreative Aufmachung des Buches, toller Ziel und einige gute Zitat, dazwischen aber immer wieder Längen, die in Vortragsebene bestimmt absolut in Ordnung sind, als Schriftform aber etwas inhkohärent wirken. Wer ohnehin zu Themen zum Missbrauch und sexuelle Gewalt viel liest, gewinnt eine neue Art sich damit zu beschäftigen, wer sich noch nicht viel damit beschäftigt hat sollte eher ein anderes Buch Lesen - es gibt bessere.
3-3.5 stars nisem brala v nemscini ampak goodreads nima se slovensko verzijo knjige nalozeno so… sam esej/monolog mi je bil vsec malo prevec gledaliski-esk mogoce ampak to je cel point; spremna beseda Nike Kovač mi ni bila najbolj všeč, nisem zvedla nič novega malo se mi je zdela kot samohvala za Inštitut 8.marec, druga spremna beseda pa mi je bila okej.
Ich fand, es wurden schon einige gute Punkte in diesem Buch gemacht und man konnte der Autorin sprachlich auch gut folgen. Die Struktur hat mir allerdings nicht so zugesagt. Es wurde inhaltlich viel umhergesprungen und angeschnitten, aber die Tiefe hat mir bei einigen Aspekten gefehlt (was bei einem Buch von 105 Seiten vielleicht auch nicht so überraschend ist).
Hätte mir einen anderen Schreibstil gewünscht, eine offenere Art, etwas, was mehr dazu anregt, nachzudenken und nicht alles serviert zu bekommen. Etwas, wo ich plötzlich wieder zurück denke und mich dann damit auseinandersetze. Andererseits ist es auch sehr wichtig, so klar und deutlich Situationen zu erklären, Fragen zu stellen und diese in eine Richtung hin zu beantworten.
Kurz und knapp, wichtige Denkanstöße zu einem inzwischen glücklicherweise halbwegs breit diskutierten Thema. Emcke schafft es aber, einige Aspekte aus neuen Perspektiven zu betrachten, und das ist sehr erhellend, auch wenn es hier wirklich nur beim kurzen Betrachten bleibt.
Bestimmt ein tolles Geschenk für den feminismus-desinteressierten Vater/Onkel/Ex-oder-noch Freund, um mal mit dem Thema anzuklopfen. An sich hat es nicht viel Inhalt, bin aber froh, dass hoffentlich ein paar von den richtigen Leuten sich das ganze in der Schaubühne angehört haben/anhören mussten.
Sehr schnell zu lesen. Ich mag die Art und Weise wie Caroline Emcke schreibt sehr gerne. Der Inhalt war teilweise ziemlich doll und es war sehr viel Inhalt für 100 Seiten. Aber guter Einblick in die #metoo Debatte. Auf jeden Fall die Trigger-Warnungen lesen
Kurzes Buch das zum Nachdenken anregt. Hat mir sehr gut gefallen - viele kurze Abschnitte, individuelle Geschichten und Erfahrungen mit integrierten Fakten. Es geht um Consent, Macht und Kontrolle und wie diese ausgenutzt wird, sowie häusliche Gewalt