Ausgezeichnet mit dem Preis der Leipziger Buchmesse 2025! Ein Haus am Wattenmeer. Eine Mutter und ihre Tochter. Und der Versuch einer Annäherung zwischen den Generationen. Für Leser*innen von Judith Hermanns »Daheim«, Anne Rabe »Die Möglichkeit von Glück«, Daniela Krien »Die Liebe im Ernstfall«und Elizabeth Strout »Am Meer«.
Eine Halbinsel im nordfriesischen Wattenmeer. Hier, an der Nordsee, lebt Annett, Ende vierzig, seit vielen Jahren, hier hat sie nach dem frühen Tod ihres Mannes ihre Tochter Linn allein großgezogen. Linn, Mitte zwanzig, ist nach dem Abitur voller Energie in die Welt gezogen, hat sich in schwedischen und rumänischen Wäldern als Umweltvolontärin engagiert, arbeitet für ein Aufforstungsprojekt. Für Annett ist ihre Tochter die Verkörperung von Hoffnung, Sinn und Zukunft. Doch auf einer Tagung, während eines Vortrags kippt Linn um, Kreislaufzusammenbruch, Erschöpfung. Annett holt sie für eine Woche zu sich nach Hause, ans Meer, nahe Husum. Aus einer werden zwei, dann drei Wochen, dann Monate. Zerrieben zwischen Leistungsdruck und Sinnsuche, scheint Linn mit Mitte Zwanzig an einem Nullpunkt. Annett fühlt sich hilflos angesichts der Antriebslosigkeit ihrer Tochter. Mit der Zeit brechen Konflikte auf, zwischen Mutter und Tochter, aber auch zwischen zwei Generationen. Die eine muss die Lebenswirklichkeit der anderen neu verstehen lernen.Mit großem Gespür für das Zwischenmenschliche lotet Kristine Bilkau die drängenden Fragen unserer Zeit aus - die Frage nach der Verantwortung der Älteren für den Zustand der Welt sowie der Wunsch der Jüngeren, das eigene Leben mit Sinn zu füllen.
Kristine Bilkau, born in 1974, studied History and Literature at Hamburg University and Tulane University, New Orleans. Her debut novel „Die Glücklichen" (The Happy Ones) about an urban family getting into the turmoils of financial crisis was awarded best debut novel of the year 2015 with the Klaus-Michael-Kühne-Preis and the Franz-Tumler-Literaturpreis, praised both by reviewers and readers, and translated into Dutch, French and Italian. Her second novel „Eine Liebe, in Gedanken" (A love in thoughts) came out in March 2018 telling a love story about a young couple in the early sixties trying to escape the constrictions and repression of german post-war society. Kristine Bilkau lives in Hamburg.
Kristine Bilkau, 1974 geboren, studierte Geschichte und Amerikanistik in Hamburg und New Orleans. Ihr erster Roman „Die Glücklichen“ fand ein begeistertes Medienecho, wurde 2015 mit dem Franz-Tumler-Preis, dem Klaus-Michael-Kühne-Preis und dem Hamburger Förderpreis für Literatur ausgezeichnet und in mehrere Sprachen übersetzt. 2018 erschien ihr zweiter Roman, „Eine Liebe, in Gedanken". Sie lebt mit ihrer Familie in Hamburg.
Schon in ihrem letzten Roman Nebenan driftet die Hauptfigur durch ihr Leben und findet ein inneres Gleichgewicht letztlich im Abtauchen und durchs Wasser Schauen. Auch in Halbinsel spielt das feuchte Element, das Bilkau essayistisch in Wasserzeiten untersucht hat, eine besondere Rolle und hier: Ebbe und Flut und das durch die Gezeiten entstehende Wattenmeer:
Wir parkten in der Nähe des Kiosks am Deich und gingen los. Der feste, leicht gewellte Wattboden fühlte sich warm an unter meinen Füßen. Der Backstein lag schwer in meinem Rucksack, ich hatte ihn mitgenommen, um ihn an einer Stelle, die sich passend anfühlen würde, zurück ins Watt zu legen. In der Ferne bewegten sich wieder zwei Kutschen Richtung Hallig. Die Sonne glitzerte in den Wasser-lachen. Einige Male blieben wir stehen, um uns herum war es so still, dass wir ein leises Knistern aus dem Boden hören konnten, Organismen, Sedimente. »Erzähl uns noch mehr von der versunkenen Stadt«, sagte Linn zu Agnes. »Ich bin hier aufgewachsen - und weiß so gut wie nichts darüber.«
Leider verlässt sich Halbinsel von Bilkau nicht auf dieses interessante Thema. Der Begriff Halbinsel steht vielmehr als Metapher für Halbwaise, halb geschützt, halb verbunden, halb im Meer des Lebens, halb im schützenden Land, denn Linn, die Tochter der Protagonistin, hat, wie der Anfang des Buches sofort klarstellt, ihren Vater Johan früh verloren. Annett, ihre Mutter, bemüht sich redlich um sie, aber die Fehlstelle bleibt, und so sieht Annett, als sie die Wohnung ihrer Tochter in Berlin besucht, nur ein Foto von Johan, aber keines von ihr. Sie raufen sich dennoch zusammen.
Linn aß Erdbeeren mit Joghurt, hin und wieder leuchtete eine Nachricht auf ihrem Telefon auf, ich sagte, ich ginge ins Bett und legte mich im Nebenzimmer hin. Später wurde ich wach, Linn öffnete über uns das Fenster und schlüpfte unter die Bettdecke, eine Weile blieb sie still liegen und ich tat, als würde ich schlafen. Dann rutschte sie nah an mich heran, lehnte ihren Kopf gegen meine Schulter.
Linn und Annett suchen ihr Glück und finden es, indem sie immer bescheidender, ruhiger, immer zurückgezogener und bedächtiger im Leben voranschreiten. Bilkau erzählt die Mutter-Tochter-Geschichte wie Birgit Birnbacher in Wovon wir leben mit einer sehr melancholischen, sentimentalen Note. Die Unaufgeregtheit als poetische Emphase bricht sich jedoch leider an keinem Ereignis oder Widerstand.
»Ich habe Neoprensocken für uns eingepackt. Wenn es dunkler und kühler wird, ist es angenehm, sie zu tragen«, sagte [die Nachbarin] Agnes, als wir uns gegen sieben auf den Rückweg machten, wir waren gut in der Zeit.
Es gibt keine Differenz, keinen Konflikt, kein wirkliches Problem, und so dümpelt und schlingert das flüssig geschriebene Buch vor sich hin und endet, wo es beginnt, irgendwo im Niemandsland zwischen einer Autobiographie und einem Sachbuch für Erziehungsfragen, also auf einer öden Halbinsel, die weder Fisch noch Fleisch, schon gar nicht zum Reisen erst einlädt. Nebenan ist bei weitem geheimnisvoller gewesen.
--------------------------------- --------------------------------- Details – ab hier Spoilergefahr (zur Erinnerung für mich): --------------------------------- ---------------------------------
Inhalt: ●Wichtige Figuren: Annett (49), Mutter von Linn (25), lebt als Witwe in Norddeutschland als Bibliothekarin, etwas vereinsamt. ●Zusammenfassung/Inhaltsangabe/Plot (kurz): ●Zusammenfassung/Inhaltsangabe/Plot: In der Gegenwart, 2020er Jahre, bricht Linn (Ökologin, 25), die Tochter von Annett (Bibliothekarin, 49), während einer Tagung in einem Hotel bei ihrem Vortrag zusammen, stürzt und muss ins Krankenhaus. A gibt den Hund Bo zu ihren neuen Nachbarn, Agnes, Marie und Levin (alle um die 30) in Pflege, fährt zu ihrer Tochter und nimmt sie, nachdem sie im Hotel Ls Sachen abgeholt hat, mit zu sich in ihr Haus nach Norddeutschland, um sie aufzupäppeln. L beginnt sich mit alten Dingen aus dem Keller zu beschäftigen, kramt ihre alten Tuschezeichnungen aus. Nach einer Woche fährt L zurück nach Berlin. Die Nachbarn laden A zum Grillen ein, A ist aber zu schüchtern, um etwas über sie in Erfahrung zu bringen. Als A eines Tages von der Arbeit kommt, liegt L bei ihr im Wohnzimmer, schläft. L antwortet nicht As Fragen, zieht sich zurück. Bald stellt L klar, dass sie ihren Job und ihre Wohnung in Berlin gekündigt hat und zurück zu A zieht, ihr sei einfach alles zu viel geworden. A wird von einem Hotelangestellten angerufen, der mitteilt, dass L für die beim Sturz verursachten Schäden aufkommen muss. A fordert die Unterlagen ein, um diese bei ihrer Versicherung einzureichen. Es kommt auch heraus, dass L sich nicht auf Geschäftsreise befunden hat. A erlaubt Levin durch ihr Blumenbeet zu fahren, um eine tonnenförmige Sauna in den Garten zu stellen. A fühlt sich hingezogen zu Levin. Die Nachbarn, A und L unternehmen eine Wanderung durchs Wattenmeer. Levin und A flirten bei einer Heißen Schokolade mit Schuss (Tote Tante After Eight). L und A fahren nach Berlin, um die Wohnung zu räumen; A lässt sich betrügen, als zwei Typen das Sofa abholen und vorgeben, mit Paypal bezahlt zu haben. Es stellt sich nachher heraus, dass L, die zu diesem Zeitpunkt einkaufen gegangen ist, gar kein Paypal-Konto hat. A sucht eine Aussprache mit ihrer Tochter, die nicht an ihr Telefon geht, Schwierigkeiten aus dem Weg zu gehen scheint. Sie versöhnen sich aber. Wieder im Norden durchwühlt L die alten Dinge von A, bspw. alte Matheklausuren, alte Mädchen-Magazine. Levin hat das Blumenbeet von A wieder hergerichtet. L beginnt in einer Bäckerei auszuhelfen, fährt eine Freundin besuchen. Levin baut ein Bassin und will es mit Kacheln verzieren. A hilft bei der Musterbildung. Sie schlafen miteinander. A erhält die E-Mail mit den Schadensunterlagen, ca. 14000 Euro. Sie reicht die Kosten bei ihrer Versicherung ein. Levin und A unternehmen eine Ausflug, gehen schwimmen. L richtet sich häuslich bei A ein. L erzählt A von dem Konflikt mit ihrem Arbeitgeber. Der Handel mit Kohlendioxid-Zertifikaten führt zum Landkauf für die Wiederaufforstung und zerstört wichtige Agrarflächen für die einheimische Bevölkerung. L brach zusammen, als sie diese Kritik der Holding, den sogenannten Wohltätigen, vorbringen wollte. Aus diesem Grund hat sie vor der Tagung gekündigt, um frei die Meinung sagen zu können. Sie konnte den Vortrag nur nicht beenden. Die Versicherung teil A mit, dass L nur versichert gewesen ist, sofern sie zum Zeitpunkt noch den Status einer Studentin inne hatte. A wütend über ihre eigene Nachlässigkeit. Auf einer weiteren Wattwanderung treffen sie Reiterinnen. Ein Pferd büchst aus und lässt sich L nicht mehr einfangen. A fürchtet um L, die sich sehr weit ins Watt hinauswagt. Während A saunt, bringen Agnes und Marie sie auf die Idee sich zu wehren. A besucht den Restaurator, der den Kostenvoranschlag gefertigt hat, übernachtet bei ihm und erfährt, dass er eigentlich für die minimale Restaurierung mit geringen Kosten plädierte, die Holding aber den teuersten Plan beauftragt hat. Im Hotel trifft sie die Geschäftsführerin, die von dem Vorfall nichts wusste und verspricht den Vorgang zu prüfen. L hat nun die Kartons ihres verstorbenen Vaters in der Mangel. Sie und A sprechen sich darüber aus, dass A L vor unangenehmen Erlebnissen zu bewahren versucht hat, bspw. nicht mit ihr über den Tod Johans geredet hat. Sowohl das Hotel wie der Restaurator geben bekannt, dass sich die Kostenübernahmen erledigt haben. Die Holding übernimmt die Kosten. A geht zur Bäckerei, in der L arbeitet, sieht, dass sie glücklich ist. L arbeitet wieder an ihrem Vortrag und hält ihn in München bei einer Klimakonferenz. A sieht im Fernsehen, wie eine Klimakleberin getreten wird, die L zum Verwechseln ähnlich sieht. Es war aber nicht L. A will nicht länger auf Levin warten und geht nun selbstbewusst zum Nachbarhaus und klopft. ● Unnötige Elemente: wie sie zu ihrem Haus gekommen ist; welche Stellenangebote sie sich anschaut; die diversen Liebschaften von Annett; das Schicksal von Ingrid und Lars, ihren einstigen Nachbarn; Referenz zu Ibsens „Ein Volksfeind“. … das Buch besitzt keinen Spannungsbogen. Der Text besteht aus einem Geplauder über das Mutter-Sein, also eine Form von informellem Erfahrungsaustausch, ziemlich geradeheraus. Es gibt weder ein Problem noch ein Ereignis, das erzählt werden müsste. Mutter und Tochter haben Alltagsprobleme. Die Mutter macht sich Vorwürfe, die Tochter zu sehr behütet zu haben. Die Tochter bekommt mit Mitte 20 ihre eigenen Probleme nicht gebacken und zieht wieder zuhause ein. Die Mutter hat Angst um die Tochter. Die Tochter hat Angst um die Welt. Am Ende fährt die Tochter mit Freunden an den See, und die Mutter genießt eine Affäre mit dem zwanzig Jahre jüngeren Nachbarn Levin. … wirklich langweilig --> 1 Stern
Form: Flüssig geschrieben, ohne jedweden melodischen, harmonischen, poetischen, dramatischen Anspruch. Das Symbolische, die Ästhetik überhaupt, wird nicht angestrebt. Reines Alltagsgespräch, Alltagsdiskurs ohne Durchformung. Sprache tadellos, aber der Alltagssprache abgelauscht. --> 2 Sterne
Erzählstimme: Situierte Ich-Erzählerin, die konsequent im Präteritum schreibt, sich erinnert, die Ereignisse reiht, erzählt. Sehr konsequent, selektiv und selbst-reflexiv. Die Ich-Erzählerin, wie das Ende zeigt, in Präsens, sitzt zuhause, während die Tochter auf der Klimakonferenz ist und bereitet sich auf ihr Date mit dem Nachbarn vor. Leider wirkt die Erzählstimme unfokussiert, schweift ab, aber auf uninteressante Weise. --> 3 Sterne
Komposition: Viele Anachronien, Mischung aus szenischen und narrativen Szenen, gelockert, aber nur lose Verbunden durch eine autobiographische Reihung, die keinerlei dramatischen Ballungspunkt besitzt. Die Unaufgeregtheit bricht sich nicht an einem Eklat. Alles dümpfelt vor sich hin. --> 1 Stern
Leseerlebnis: Es liest sich schnell, aber anstrengend, da über weite Passage nicht klar wird, warum es nun interessant ist, dass sich eine Figur Neoprensocken anzieht (bspw). Keine Differenzierung zwischen Banalitäten und Erzählwertem. Es wird einfach irgendetwas erzählt, und so erscheint es auch. Einfach so herunter erzählt. Langweilig. --> 1 Stern
Annett ist Ende 40 und lebt seit vielen Jahren im alten Haus ihrer Großtante auf einer Halbinsel im nordfriesischen Wattenmeer. Sie hat sich in ihrem ruhigen Alltag eingerichtet, bis sie einen Anruf vom Krankenhaus erhält: Ihre Tochter Linn hatte bei einer Tagung zu Aufforstungsprogrammen in einem Hotel einen Schwächeanfall und muss zur Beobachtung ein paar Tage stationär bleiben. Danach erholt sich Linn bei ihrer Mutter – doch aus einer Woche werden zwei, drei, vier und schließlich Monate. Die Mitte-25-Jährige ist ausgebrannt, von der Arbeit, aber auch von der Welt mit ihren vielen Krisen. Annett hingegen ist überfordert von der Antriebslosigkeit ihrer Tochter. Es kommt zu Konflikten – zwischen Mutter und Tochter, aber auch zwischen den Generationen.
Kristine Bilkaus neuer Roman „Halbinsel“ erzählt in leisen, ruhigen Tönen von den Krisen unserer Zeit, allen voran der Klimakrise. Eingebettet in eine Geschichte über Mutter und Tochter berichtet sie von unserem Umgang mit Krisensituationen und wie sich dieser auch zwischen den Generationen unterscheidet. Bilkau wählt für ihren Roman die Ich-Perspektive, sie berichtet aus Annetts Sicht, lässt aber auch immer wieder Rückblenden in die Vergangenheit zu, die von einem großen Verlust geprägt ist. Ich finde Kristine Bilkaus Schreibstil wirklich sehr, sehr schön, sie berührt mich immer wieder mit ihren Worten, von denen keines zu viel ist. Besonders gut hat mir wieder das Setting gefallen, ich liebe die Nordsee und fand gerade die Wattwanderungen von Annett und ihrer Tochter spannend. Die Geschichte an sich plätschert für meinen Geschmack vielleicht ein bisschen zu sehr dahin, die Botschaft, die die Autorin damit sendet, finde ich aber wichtig:
„Das Recht eines Kindes, denke ich, warum reden wir darüber so selten. Das Recht auf Schutz und Unversehrtheit, das Recht auf Zukunft. Das Recht von uns mehr zu verlangen für diese Zukunft, die nicht uns gehört, doch über die wir verfügen, die wir prägen durch alles, was wir tun oder unterlassen.“
Heute möchte ich Euch ein Buch vorstellen, das mich zunächst etwas irritiert hat, denn ich dachte mir: Was will mir die Autorin eigentlich sagen? Worum geht’s in „Halbinsel“? Denn ich empfand es mehr oder weniger als so „dahinplätschernd“ - aber genau für (oder trotz?!) dieser Erzählweise habe ich Kristine Bilkau am Ende ins Herz geschlossen.
Im Zentrum des Romans, der sogar den Leipziger Buchpreis verliehen bekam, steht ein Mutter-Tochter-Duo: Annett mit ihrer bereits erwachsenen Tochter Linn. Ein Zusammenbruch während eines Vortrags bringt Umweltvolontärin Linn wieder zurück zu ihrer Mutter - was zunächst nur zur Erholung für eine Woche gedacht war, wird zu Monaten. Die beiden verbringen den Sommer zusammen auf einer Halbinsel im nordfriesischen Wattenmeer. Eigentlich waren sie mal ein eingeschworenes Team, denn das Leben hat ihnen einiges abverlangt durch den plötzlichen Tod des Vaters von Linn und Annett wurde zur Alleinerziehenden vor zwanzig Jahren.
„Wir parkten in der Nähe des Kiosks am Deich und gingen los. Der feste, leicht gewellte Wattboden fühlte sich warm an unter meinen Füßen. Der Backstein lag schwer in meinem Rucksack, ich hatte ihn mitgenommen, um ihn an einer Stelle, die sich passend anfühlen würde, zurück ins Watt zu legen. In der Ferne bewegten sich wieder zwei Kutschen Richtung Hallig. Die Sonne glitzerte in den Wasser-lachen. Einige Male blieben wir stehen, um uns herum war es so still, dass wir ein leises Knistern aus dem Boden hören konnten, Organismen, Sedimente. »Erzähl uns noch mehr von der versunkenen Stadt«, sagte Linn zu Agnes. »Ich bin hier aufgewachsen - und weiß so gut wie nichts darüber.«“
In ihren Vierzigern fängt Annett an, sich immer intensiver mit den großen Fragen des Lebens, aber auch mit den Herausforderungen der Gesellschaft unserer Gegenwart auseinanderzusetzen wie dem Klimawandel, transgenerationaler Verantwortung, der Habgier von Unternehmen, aber auch persönliche Überlegungen wie ihre eigenen Erwartungen an die Zukunft, aber auch die ihrer Tochter Linn, treiben sie um.
Die Suche nach dem Glück verbindet die beiden Figuren Annett und Linn - sie finden es, indem sie eher zurückgezogen, ruhig und bescheiden durchs Leben schreiten. Der frühe Tod des Vaters Johan bleibt für eine Fehlstelle, eine Lücke im Leben, für die es kein Füllmaterial gibt, was sie auch tun. Ich habe „Halbinsel“ vor allem wegen seines Vibes gerne gelesen - denn auf eine ebenso süffige wie sentimentale Weise erzählt Kristine Bilkau diese melancholische Mutter-Tochter-Story. Es war mein erstes Werk, das ich von der Autorin gelesen habe und ich habe bereits recherchiert, was bisher schon von ihr erschienen ist und habe mir „Nebenan“ auf meine Wunschliste gesetzt.
Annett ist fast 50, lebt in der Nähe von Husum und arbeitet als Bibliothekarin. Seit 20 Jahren ist sie Witwe, hat ihre 25-jährige Tochter Linn überwiegend allein großgezogen. Sie liest heimlich Stellenanzeigen von Bibliotheken in anderen Ländern ohne sich je zu bewerben. Dann kommt der Tag, an dem Linn, Umweltwissenschaftlerin in Berlin, bei einem Vortrag zusammenbricht und ins Elternhaus zurückkehrt, vorübergehend - so der Plan. Die Monate vergehen, Linn kehrt nicht zurück in ihr altes Leben und Annett bemerkt, wie sich die mütterliche Fürsorge und Hoffnung für die Zukunft ihrer Tochter in eine Erwartungshaltung entwickelt hat.
"Halbinsel" ist mehr als ein Mutter-Tochter-Roman. Es geht um die Frage, wie wir leben wollen, in einer Zeit, in der die Zukunft nicht strahlend, sondern düster erscheint. Es geht um Trauer und darum, dass sie sich zwar verändert, aber auch nach zwei Jahrzehnten noch von immenser Intensität sein kann. Es geht auch ums Altern und den Mut, Verantwortung für die eigene Geschichte zu übernehmen. Es geht auch noch um ein paar andere Themen und das wäre vielleicht der einzige kleine Kritikpunkt: insgesamt ist der Roman ziemlich überladen mit Themen und Erzählsträngen. Für mich hätte er ruhig etwas länger sein können, für weniger lose Enden.
Kristine Bilkau ist eine herausragende Autorin. Das Lesen ist ein Genuss. Ich habe viel gefühlt und der Roman wirkt auf jeden Fall nach.
2,5 🌟 Nette Geschichte über eine späte Liebe und eine Mutter-Tochter-Beziehung. Ich mag die Erzählart von D. Krien, A. Rabe sehr gerne und auch eigentlich E. Strout. Hier konnte ich jedoch keine Gemeinsamkeiten entdecken. Schade, da hatte ich mir doch mehr erhofft. Ich fand es eher langweilig und in den Erkenntnissen nichts Neues.
Als Mutter eines Teenagers hat mich dieser Roman sehr bewegt. Die Einsichten der Erzählerin Annett über ihr Muttersein, ihre Art der Erziehung nach dem tragischen, viel zu frühen Verlust ihres Mannes und die deutliche Meinung ihrer nun erwachsenen Tochter Linn dazu, haben mich sehr nachdenklich gemacht.
„Fürsorge und Freiheit, das eine schränkte das andere ein, Freiheit und Fürsorge, beides hing untrennbar zusammen.“ (S. 202)
Die Autorin gibt ,wie zufällig eingestreut, wertvolle Gedanken zu vielen Themen, die unsere Gesellschaft bewegen. Erziehung, Verantwortung der älteren Generation gegenüber der jüngeren, Sinnsuche, Projektion der eigenen Wünsche auf unsere Kinder und nicht zu letzt der Umgang mit Trauer.. ein wunderbarer Roman, der mit ruhiger und sanfter Sprache so wuchtige Themen dem Leser quasi nebenbei näher bringt.
Wie auch ihr Werk „Nebenan“ von 2022, hat mich dieses Buch erneut begeistern können. 5 Sterne und eine große Leseempfehlung
Ich bin begeistert! Wunderbar, wie die Autorin aktuelle Themen wie Mutter/Tochter-Liebe, Verlust, Klimakrise und Sinnkrise zu einem großen Ganzen verbindet. Das alles in schnörkelfreier lakonischer Sprache auf relativ wenigen Seiten. Hat mich deutlich mehr abgeholt, als "Nebenan".
Oops, da hatte ich wohl zuviel erwartet. Das Buch plätscherte vor sich hin und die Protagonistin, mit der ich mich so gern identifiziert hätte, war sooo langweilig. Schade
Den frühen Tod ihres Mannes hat Annett nie wirklich verarbeitet. Er starb beim Joggen an einem plötzlichen Herzinfarkt, als die gemeinsame Tochter Linn noch ganz klein war. Heute ist Linn 25, hat erfolgreich Bachelor- und Masterstudium absolviert, setzt sich fürs Klima und soziale Gerechtigkeit ein und ist der ganze Stolz von Annett. Bis sie plötzlich bei einer Konferenz zusammenbricht, in eine depressive Episode rutscht und wieder bei der Mutter einzieht. Annett reagiert darauf mit (Für)Sorge, aber auch mit Unverständnis. Hat ihre Tochter nicht alles, was sie braucht? Hat sie, Annett, nicht ihr ganzes Leben geopfert, damit sie es besser haben kann, als sie selbst? Und warum redet die Tochter eigentlich nicht mit ihr? Ja, warum reden die beiden eigentlich nicht miteinander? Das habe ich mich beim Lesen von Kristine Bilkaus "Halbinsel" auch die ganze Zeit gefragt. Versprach der Klappentext doch Konflikte zwischen den Generationen, zwei Frauen, die ihr Leben neu ausrichten. Doch wer hier vor allem mit sich selbst in den Konflikt geht und ihre Einstellung zum Leben hinterfragt, ist Annett. Sie ist die Ich-Erzählerin des Romans, dementsprechend erfahren wir alles aus ihrer Perspektive. Es geht um ihre unverarbeitete Trauer und vor allem ihre Gedanken über Linn sowie allgemein zum Muttersein. Über die Innenwelt der Tochter oder überhaupt über ihr Leben erfahren wir kaum etwas, und wenn, immer nur aus der Sicht ihrer Mutter. Dieser mütterliche Stream of consciousness ist angenehm lesbar geschrieben, Bilkaus Sprache ist gewohnt sanft. Ehrlich gesagt, hat er mich inhaltlich aber nicht abgeholt. Zum einen, weil ich aufgrund des Klappentextes etwas anderes erwartet hatte und zum anderen, weil diese reine Mutterperspektive mich eher gelangweilt hat. Für eine Trauerbewältigungsgeschichte war sie mir nicht tief genug, der Fakt, dass es eigentlich die Mutter ist, die ihr Leben neu ausrichten sollte, schnell auserzählt. Und das Klimathema? Wirkte wie einmal didaktisch in die Mitte gekippt. Für andere Leser:innen sicherlich ein bewegendes Buch, für mich eher ein unbefridigendes Leseerlebnis.
PS: Wie auch schon in "Nebenan" mochte ich die literarischen Bezüge in dem Buch. In "Nebenan" freute ich mich über die Märchenanspielungen, hier über den Bezug zu Ibsens "Volksfeind". Ich liebe Ibsens Theaterstücke bis zum Platzen. Insgesamt haben sie das Leseerlebnis auch nicht wesentlich verbessert.
Hat mir richtig gut gefallen. Themen wie Verlust eines geliebten Menschen, Trauer, Loslassen. Lebenslange Sorge um ein Kind. Erzählt beide Sichtweisen, die der Mutter und die der Tochter. Das Aufwachsen mit einer trauernden Mutter. Gut in eine Geschichte verpackt.
Zehn Jahre nach dem großartigen Roman "Die Glücklichen" hat Kristine Bilkau mit "Halbinsel" dieses hohe Niveau, das ich in "Nebenan" nicht mehr gefunden habe, wieder erreicht. Der Preis der Leipziger Buchmesse ist absolut verdient.
Eine der Fähigkeiten von Literatur ist es, gesellschaftliche Realitäten erfahrbar zu machen. Das ist für mich eine wichtige Ergänzung zum Journalismus. Gute Literatur ist darüber hinaus universell und somit zeitlos. Alle diese Kriterien treffen auf "Halbinsel" zu.
Im Zentrum steht für mich die Frage, welche Bedeutung und welchen Sinn die Arbeit hat. Linn arbeitet bis zum Burnout in einer Umweltberatung. Ihr wird alles zu viel, vor allem als sie feststellt, dass ihre Firma unter dem Deckmantel des Umweltschutzes ein umweltschädliches, profitorientiertes Geschäft betreibt. Schließlich bricht sie zusammen. Sie zieht zu ihrer Mutter. Annett (Ich-Erzählerin, 49) ist Bibliothekarin in einem kleinen Ort in Norddeutschland. Die norddeutsche Atmosphäre ist stimmig und gefällt mir sehr gut. Als Linn in der Bäckerei des Dorfes anfängt zu arbeiten, ist ihre Mutter enttäuscht. Annett hat auf vieles verzichten müssen, um das Studium der Tochter zu finanzieren. Die "einfache" Arbeit erscheint ihr wie eine Niederlage.
Vor allem hat mich der Roman wegen der Tochter Linn so sehr gepackt. Ihre Situation bei der Arbeit konnte ich gut nachempfinden. Linn hat die Warnzeichen erkannt und ihr Leben geändert. Das hat mich innerlich zum Jubeln gebracht. Das ist aber nur eine Ebene dieses schönen Romans. Es geht auch um Themen wie Umwelt und Klima oder Mutter-Tochter-Beziehungen. Über allem schwebt das Motiv des Verlustes. Dabei ist das Buch zwar melancholisch aber nie deprimierend. Somit war es für mich eine beglückende Lektüre.
Endlich habe ich den preisgekrönten Roman 'Halbinsel' von Kristine Bilkau gelesen. Lange habe ich damit geliebäugelt und mich aufs Lesen gefreut. Das Buch ist in erster Linie ein schön geschriebener Mutter-Tochter-Roman, der die komplexe Beziehung zwischen den beiden Frauen auf eine ruhige, aber ehrliche Weise im Wandel der Zeit beleuchtet. Die Erzählung erfolgt aus Sicht von Annett, der Mutter, die sich in einer Phase ihres Lebens befindet, in der sie unsicher ist, wo sie steht und wohin ihr Weg führen soll. Ihre Tochter Linn ist bereits seit einigen Jahren ausgezogen und hat ihren eigenen Weg gefunden. Nach dem Schulabschluss zog es sie ins Ausland und später nach Berlin. Doch ein plötzlicher Zusammenbruch von Linn bringt Mutter und Tochter wieder zurück in alte Muster und in das gemeinsame Zuhause. Die Situation, wieder unter einem Dach zu leben, ist zunächst ungewohnt. Trotz ihrer Verbundenheit müssen die beiden Frauen erst wieder zueinanderfinden und alte Rollen hinter sich lassen. Besonders spannend fand ich die Art und Weise, wie Mutter und Tochter sich umkreisen und unausgesprochene Gefühle und Konflikte ans Tageslicht kommen. Den großen Teil des Romans, der sich mit Annett und Linns Reflextionsprozess beschäftigt, habe ich sehr genossen. Es hätte für mich absolut gereicht, die beiden auf ihrem Weg zu begleiten. Der Abschnitt, der sich mit Linns Beruf als Umweltmanagerin und dem Klimawandel befasst, hat mich dagegen weniger angesprochen. Hier hätte ich mir gewünscht, dass dieser Teil kürzer oder weniger präsent im Fokus steht. Insgesamt ist 'Halbinsel' ein ruhiger, angenehmer Roman, der schöne Lesestunden verspricht. Für mich gab es kleinen Abzügen zum Ende hin, aber insgesamt eine empfehlenswerte Lektüre.
„𝐖𝐨 𝐮𝐦 𝐚𝐥𝐥𝐞𝐬 𝐢𝐧 𝐝𝐞𝐫 𝐖𝐞𝐥𝐭 𝐬𝐨𝐥𝐥𝐭𝐞 𝐝𝐢𝐞 𝐙𝐮𝐯𝐞𝐫𝐬𝐢𝐜𝐡𝐭 𝐡𝐞𝐫𝐤𝐨𝐦𝐦𝐞𝐧, 𝐟𝐮𝐞𝐫 𝐣𝐮𝐧𝐠𝐞 𝐌𝐞𝐧𝐬𝐜𝐡𝐞𝐧 𝐰𝐢𝐞 𝐋𝐢𝐧𝐧, 𝐰𝐨𝐡𝐞𝐫?“ ⠀⠀⠀⠀⠀⠀⠀⠀⠀ Linn kehrt nach Jahren in das Haus ihrer Mutter zurück, nachdem sie bei einer Konferenz einen Kreislaufzusammenbruch erleidet und auch generell in einer Art Schwebe steckt. Ihre Mutter Annett muss sich erstmal wieder an die Anwesenheit ihrer Tochter gewöhnen und dem Drang widerstehen, Linns Leben für sie zu regeln. Können Annetts ausgeprägtes Sicherheitsdenken und Linns Auszeit im Haus nahe Husum koexistieren? Können die beiden Frauen die Generationenkluft überwinden? ⠀⠀⠀⠀⠀⠀⠀⠀⠀ Halbinsel ist mein erstes Buch von Kristine Bilkau und ich fand es erstklassig! Es war absolut spannend, die unterschiedlichen Denkweisen und Standpunkte von Annett und Linn zu ergründen. Sprachlich ist es wunderschön sanft und gleichzeitig porträtiert es die kleinen, feinen Risse der Mutter-Tochter-Beziehung sehr stark. Auch Johans Geschichte fand ich sehr ergreifend, es war für mich eine sehr gelungene gefühlsbetonte Grundsteinlegung für die Stimmung des Buches. ⠀⠀⠀⠀⠀⠀⠀⠀⠀ Obwohl ich eher Linns Alter entspreche, fand ich die Einblicke in Annetts Gedankenwelt sehr nachvollziehbar. Ich konnte sie gut nachfühlen, wahrscheinlich, weil ich auch ein sehr ausgeprägtes Sicherheitsdenken habe. Auch die Darstellung des Widerspruchs von Freiheit und Fürsorge im Kontext der Kindererziehung hat mich total abgeholt. ⠀⠀⠀⠀⠀⠀⠀⠀⠀ Halbinsel thematisiert Neuanfänge und Hoffnung sowie Klima und Umwelt, auf eine berührende Art und Weise. Es zeigt zwei unterschiedliche Generationen auf, präsentiert eine authentische Mutter-Tochter-Beziehung mit Höhen und Tiefen und ermutigt zur Selbstreflexion. ⠀⠀⠀⠀⠀⠀⠀⠀⠀ Große Leseempfehlung! ⠀⠀⠀⠀⠀⠀⠀⠀⠀ 4,25/5 ⭐️
Auf Kristine Bilkaus neuen Roman "Halbinsel" habe ich mich schon im Vorwege sehr gefreut. Nicht nur, weil sie für den Leipziger Buchpreis nominiert war (und ihn ja zum Glück auch bekommen hat), sondern weil mir "Nebenan" so gut gefallen hat. Die Handlung ist dabei schnell erzählt: Die Ich- Erzählerin Anett, Ende Vierzig, lebt in ihrem Haus am nordfriesischen Wattenmeer einen friedlichen, unaufgeregten Alltag als städtische Bibliothekarin, bis eines Tages ihre erwachsene Tochter einen Zusammenbruch erleidet und wieder bei ihr einzieht. Linn, Mitte Zwanzig und Umweltaktivistin, kollabiert während eines Vortrags auf einer Tagung und zieht sich danach aus ihrem Berliner Leben zurück. Unerwartet plötzlich leben Mutter und Tochter wieder eng zusammen - im kleinen Haus und müssen sich arrangieren und die Lebenswirklichkeit der anderen neu verstehen und akzeptieren lernen.
Leise und unaufgeregt behandelt der Roman die Entwicklung der Mutter-Tochter-Beziehung und ihr Ausloten der eigenen Identitäten im Schatten der Klimakrise.
Eine kleine kritische Anmerkung habe ich allerdings doch. In Bilkaus “Nebenan" Roman hat mir die Sprache sehr gut gefallen. War sie dort fließend, leicht, mit Metaphern versehen, so habe ich sie in Halbinsel als zu knapp und recht einfach empfunden. Das ist allerdings nur ein kleiner Punkt, der die Lesefreude nicht beeinträchtigt hat.
Leseempfehlung! Und Gratulation an Kristine Bilkau für den Preis der Leipziger Buchmesse 2025!
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Das Buch lässt mich ein wenig ratlos zurück, ich weiß nicht genau, was die Autorin mit ihrer Geschichte bezwecken wollte. Der Schreibstil ist ruhig und nüchtern, der Roman hat sich für mich flott gelesen. Leider habe ich aber keinen Zugang zu den beiden Hauptpersonen bekommen. Ich finde, der eigentliche Konflikt zwischen den beiden wird nur angerissen, aber nicht richtig auserzählt. Bestimmt kein schlechtes Buch, aber ich persönlich konnte nicht so viel damit anfangen.
„Halbinsel“ ist ein stiller, eindringlicher Roman über eine Mutter-Tochter-Beziehung, über Erschöpfung, Zukunftsangst und das Ringen um Nähe – zwischen zwei Menschen und zwei Generationen. Kristine Bilkau, geboren 1974 in Hamburg, wurde mit ihrem Debütroman „Die Glücklichen“ bekannt und vielfach ausgezeichnet. Ihre Romane zeichnen sich durch ein feines Gespür für gesellschaftliche und persönliche Umbrüche aus. Bilkau studierte Geschichte in Hamburg und New Orleans, arbeitet als Journalistin und lebt mit ihrer Familie in Hamburg. Mit „Halbinsel“ wurde sie 2025 mit dem Preis der Leipziger Buchmesse ausgezeichnet.
Worum geht’s genau?
Annett lebt seit vielen Jahren allein auf einer Halbinsel an der Nordsee, wo sie nach dem frühen Tod ihres Mannes ihre Tochter Linn großgezogen hat. Diese ist inzwischen Mitte zwanzig und hat sich in internationalen Umweltprojekten engagiert – voller Tatendrang und Ideale. Doch nach einem Zusammenbruch bei einer Tagung kehrt sie erschöpft zurück in ihr Elternhaus. Was als kurze Erholung geplant war, wird zu einem längeren Aufenthalt – und zu einer schmerzhaften Auseinandersetzung mit sich selbst, mit alten und neuen Erwartungen, mit Schuld, Nähe und Distanz. Zwischen Wattenmeer, Möwengeschrei und aufkommenden Herbststürmen spitzen sich die Spannungen zwischen Mutter und Tochter zu – eine Generation muss lernen, die andere zu verstehen.
Meine Meinung
Ich habe „Halbinsel“ als Rezensionsexemplar angefordert und diese Entscheidung nicht bereut. Sowohl das stimmungsvolle Cover als auch der Klappentext haben mich sofort angesprochen. Es ist eine stille Geschichte, die von der intensiven Mutter-Tochter-Beziehung getragen wird, aber ebenso Themen wie Trauer, Klima- und Zukunftsangst und die Suche nach sich selbst verhandelt.
Mich hat vor allem beeindruckt, wie authentisch und feinfühlig die Charaktere gezeichnet sind. Ich konnte mich sehr gut in beide Hauptfiguren – Annett und Linn – hineinversetzen. Besonders berührt haben mich die inneren Dialoge Annetts mit ihrem verstorbenen Mann, die wie leise Gedanken wirken und ihre Einsamkeit sowie ihren Wunsch nach Verbindung greifbar machen.
Kristine Bilkau schreibt schnörkellos und dennoch poetisch. Ihr Stil ist ruhig, reflektiert und stets auf den Punkt. Der Roman ließ sich schnell und angenehm lesen – gerade weil er sprachlich so klar und gleichzeitig einfühlsam ist.
Trotzdem gibt es auch einen kleinen Kritikpunkt: Am Ende war ich mir nicht ganz sicher, was der Roman letztlich vermitteln will. Vieles bleibt offen, manches verschwimmt in der Stimmung, und inhaltlich fehlt es etwas an klarer Richtung.
Fazit
„Halbinsel“ ist ein sanfter, sprachlich sehr starker Roman über Nähe, Erschöpfung und das Verstehen zwischen den Generationen. Auch wenn er inhaltlich nicht lange nachhallt, habe ich ihn mit großem Interesse gelesen. Daher vergebe ich 4 von 5 Sternen.
Ganz tolles Buch! Meine Freundin sagte dazu „Für Töchter wie uns und Mütter wie unsere“ und genau so ist es. Ich habe so vieles wieder erkannt, ich mochte die schnellen Szenen-Wechsel, es wurde nicht ein Satz zu viel geschrieben. Vieles bleibt ungesagt, lässt aber so viel Raum es selber zu füllen. Werde das Buch auf jeden Fall meiner Mama schenken.
Es liest sich wunderbar weg, auch wenn zwischenzeitlich wirklich sehr wenig bis nichts passiert. Ich bin altersmäßig näher bei Linn und fand dadurch die Erzählung aus Sicht der Mutter umso interessanter. Viele der angedeuteten Generationen-Konflikte kommen mir auch aus eigener Erfahrung bekannt vor und ich bin dankbar für die Perspektive der älteren Generation, denn in meiner Familie wird nicht wirklich geredet. Gerade die Gedanken zur Klimakrise sind sehr prägnant und fügen sich hervorragend in den Text ein. Ein leiser Roman, der die Aufmerksamkeit und Preise meiner Meinung nach trotzdem voll verdient hat.
Hat mich ein bisschen in eine Leseflaute gebracht, lag aber nicht am Schreibstil oder daran, dass das Buch schlecht ist, sondern daran, dass es ein sehr alltägliches Thema beschreibt und man, auch wenn es ein Roman ist, nicht wirklich in eine andere Welt eintaucht.
Man findet sich selbst und auch seine Eltern an einigen Stellen wieder, manchmal hat mir die Ähnlichkeit Angst gemacht.
Mir waren beide Hauptprotagonistinnen leider wahnsinnig unsympathisch. Keine spricht mit der anderen und wenn doch, dann direkt total überheblich und vorwurfsvoll.
Ich habe es gerne gelesen, und es ist ein eher ruhiges Buch. Thema Tochter kommt zurück ins Elternhaus zur Mutter. Das Ereignis was vorher passiert wird überhaupt nicht zum Drama gemacht. Allerdings ist es jetzt zwei Wochen nachdem ich es gelesen habe, schon wieder aus dem Gedächtnis verweht... Es war wirklich ganz gut...
Das Kernthema Mutter-Tochter-Konflikt bleibt leider an der Oberfläche. Es werden unnötig viele Gesellschaftsthemen aufgegriffen, der Fokus geht verloren.
Ein berührender Roman vom "dazwischen" - vom Leben zwischen Jugend und Erwachsenenalter, Stadt und Land, von zwei Frauen zwischen zwei Lebensabschnitten. Universeller: Zwischen Vergangenheit und Zukunft. Vom Zwischenmenschlichen zwischen Mutter und Tochter, zwischen Nachbarn, zwischen Ehepartnern. Und über das Sich-lebendig-fühlen und den Umgang mit Ängsten und mit dem Tod.
Zum Ende hin habe ich immer langsamer gelesen, weil ich nicht wollte, dass das Buch endet. So schön!
Annett, Ende 40, lebt allein in einem Haus auf einer Halbinsel am Wattenmeer. Vor vielen Jahren ist ihr Mann verstorben und sie hat allein die gemeinsame Tochter groß gezogen, immer knapp an Zeit und Geld. Nach einem Schwächeanfall zieht ihre 24jährige Tochter Linn wieder zu ihr, für wie lang?
Ich fand, die Konstellation hat Potential für eine Aufarbeitung von Erinnerungen, Konflikten, Krisen, unerfüllten Träumen, Erwartungen und Ansprüche beider Generationen.
„Fünfundzwanzig würde sie diesen Winter werden, alle diese Jahre, diese gesamte Zeit schien mir so überschaubar, so verschwindend schnell vergangen, als stünde ich an einer Bahnschranke und ein Zug rast vorbei, da kommt er, da ist er, da fährt er, und dann höre ich nur noch sein Rauschen aus der Ferne wie ein Echo. Schwanger werden, ein Kind zur Welt bringen, den Partner verlieren, das Kind großziehen, es davongehen sehen, diese Jahre: hier, das sind sie gewesen, und hier, das sind die Fehler, die du gemacht hast.“
Leider muss man auf Gedanken wie diese fast 200 Seiten warten. Bis dahin plätschert die Geschichte so dahin, tut nicht weh, macht nicht traurig, aber auch nicht glücklich.
„Ich dachte über Fürsorge nach, für das eigene Kind. Wie sehr stand diese Fürsorge der Freiheit des Kindes im Weg? (…) meine Fürsorge für sie hatte auch zu meiner eigenen Freiheit im Widerspruch gestanden. Fürsorge und Freiheit, das eine schränkte das andere ein, Freiheit und Fürsorge, beides hing untrennbar miteinander zusammen.“
Spannender Gedankengang (da ist er wieder, der Zielgruppenroman) - leider auch dieser erst am Ende der Geschichte formuliert und nicht tiefer ausgeführt. Ich erwarte von einem Roman keine Tiefenpsychologie. Aber entweder, die Geschichte ist megaspannend oder anders fesselnd (und das ist sie in diesem Fall nicht) oder es findet eine eindringliche Auseinandersetzung mit dem Thema des Romans statt.
„Eine Generation übermäßig fürsorglicher Eltern hat eine Generation von jungen Erwachsenen herangezogen, die nicht in der Lage sind, Krisen auszuhalten.“?
Auch mit der Kritik an diesem Presseecho hat Kristine Bilkau einen Punkt. Unsere Kinder mussten mitten in der Pubertät die größte gesellschaftliche Krise aushalten, die für mich als fast 50jährige bislang stattgefunden hat. Nach einer Seite ist auch dieser Gedankengang zu Ende geschrieben.
Eine kleine Halbinsel - das Meer nicht weit entfernt von der Haustür, die Luft salzig, der Himmel blau-grau, der Wind - ein bisschen zugiger - alles in allem, eine ruhige Idylle. Wenn alles ruhig ist um einen herum, kann der Kopf schonmal Dinge sehen, die nicht da sind, und Ohren hören... was doch eigentlich nur ein Windzug war. Das Herz in der Brust vermeintlich friedlich - aber eben nur vermeintlich, wenn es so schwer daliegt, wie ein Backstein im Watt. Ich muss gestehen, dass dieses Buch bei mir mehr so "nebenher" lief. Nicht, weil es mich thematisch nicht angesprochen hatte, die Charaktere mir unsympatisch waren oder die Kulisse mir nicht gefallen hatte, sondern einfach, weil es ruhig war... etwas zu ruhig. Für mich persönlich hätten die Themen Aufruhr bedeutet - auf beiden Seiten der Geschichte, wenn wir Mutter und Tochter als "Seiten" betrachten möchten. Aber es stimmt schon... wieso laut schreien, wenn manchmal die Stille doch stets am ehesten zu vernehmen ist? Wieso Kraft in Gefühle wie Wut und Frustration setzen - Verzweiflung, die konnte auch schweigsam existieren... Es existierte, das Buch, die Geschichte, die Schicksale... vermutlich auch die Menschen. Es hat eine ganze Weile gedauert bis ich dieses Buch einordnen konnte - ob ich es nun mochte oder doch eher nicht. Wieso ich ein Buch weniger mochte, bloß weil es für mich so emotional stark belastete Themen mit einer Sachlichkeit und Abgeklärtheit behandelte, welche mir bis dato unbekannt war, verstand ich nicht so recht - doch dieses Gefühl blieb bis zum Schluss. Ich wollte, dass es brodelte - wollte, dass Mutter und Tochter aneinander geraten und sich endlich alles, was sie belastete an den Kopf werfen, bloß damit diese Stille nicht mehr vorherrschen würde. Dieses Laufen auf und um Glasscherben herum - es zog sich durch das gesamte Buch. Und so sehr ich es hasste und so sehr ich auf diesen Knall und das Überlaufen des imaginären Fasses wartete, so sehr berührte es mich, als sie dann begannen zu sprechen. Als aus "nicht wiedergekehrt" "gestorben" wurde und aus einer Distanz, vermutlich nie als solche im Leben beabsichtigt, wieder Nähe. Ich glaube, die Passage, welche mich am meisten mitgenommen hatte war fast zum Schluss: "eine junge Frau, die Linn hätte sein können" (wer an diese Stelle im Buch kommt, versteht gewiss, was ich meine). Ich glaube, dieses Buch ist nichts für zwischendurch XD - klug ist mensch immer erst danach, denn auch wenn es angenehm zu lesen war, auch wenn ich es wie nebenher laufen lassen konnte - pausieren und wieder ansetzen, ohne mich an der Unterbrechung wirklich zu stören, so hatte dieses Buch doch gewiss mehr Gewicht, als die Worte zunächst vermuten lassen. So werden aus abendlichen Gesprächen über eine Pinnwand (oder Memotafel - da bin ich mir nicht so recht sicher) in Gedanken Überlegungen über alles im Leben laut - nicht nur über die Umwelt, Meeresspiegel und Klimaerwärmung, auch wenn allein das schon rießige Themen sind, doch viel mehr, war es auch stets die Frage nach der Vergänglichkeit und Beständigkeit von Dingen, Momenten, Menschen... "Wo siehst du dich in 5 Jahren?" Die Debatte über die Jobfrage... irgendwie hat sie mich betroffen zurückgelassen. Denn es stimmt zwar, dass in Jobgesprächen darauf vermutlich nie eine ehrliche Antwort folgen wird, doch was, wenn sie nicht in einem Jobgespräch fällt, sondern unter Freund*innen oder in der Familie? Im Kreis von Menschen, die einem am Herzen liegen und sich einfach nur für einen Menschen interessieren. Was würde mensch dann antworten? - Sich wünschen? Woran glauben? Woran zweifeln? Dieses Buch lässt einen in Gedanken zurück... Wo wirst du hinlaufen, wenn die Flut kommt? Zum sicheren Land - dir bekannt und vertraut? Oder würdest du loslaufen, schauen wie weit dich deine Beine noch tragen - dich fragen, wie viel wert dein Leben hat - für dich und andere - und im Rennen, zwischen Hängenbleiben, Versinken und Weitermachen, überlegen, was du tun würdest, wenn die Angst etwas falsch zu machen, Angst, den Vorstellungen anderer nicht zu entsprechen, einfach nicht mehr da wäre. Es ist ein wirklich schönes Buch... letztendlich mochte ich die Ruhe doch irgendwie, denn so konnte mensch zwischen all dem die Stille für sich selbst ergründen.