Das Klimaproblem ist im Kern entwaffnend einfach – wenn man es sich denn eingestünde: Wärmer wird es vor allem deshalb, weil die Menschheit Öl, Gas und Kohle verbrennt. Klimapolitik kann also nur funktionieren, wenn sie darauf hinwirkt, die fossilen Energieträger vom Markt zu verbannen. Der Treibhausgas-Ausstoß muss nicht einfach sinken. Er muss runter auf "netto null". Aber was einfach ist, ist nicht immer leicht: Klimapolitik ist auch Machtpolitik, fossiler Kohlenstoff nährt das Wirtschaftswachstum seit zwei Jahrhunderten. Entsprechend einflussreich sind die Gegner einer wirksamen Klimapolitik. Doch wäre eine Welt ohne fossile Energien zwingend eine schlechtere Welt? Nein. Aber es braucht eine Portion gesellschaftspolitischer Fantasie. Gemeinsam mit dem Verein Klimaschutz Schweiz hat Marcel Hänggi die "Gletscher-Initiative" lanciert. In Null Öl. Null Gas. Null Kohle blickt er scharfsinnig und pointiert in die klimapolitische Zukunft.
Mit den Parlamentswahlen am 20. Oktober und mehreren radikalen Volksinitiaven, welche sich derzeit im Sammelstadium für 2020 befinden (u.a. die Biodiversitäts-; Gletscher-; Landschaftsinitiativen), steht der Schweiz buchstäblich ein politisch heisser Winter bevor - gut so.
Der Autor dieses Buches, Marcel Hänggi, ein unabhängiger Journalist in gesellschaftlichen Aspekten wie Energie, Technik, und Natur, beschäftigt sich seit einigen Jahren proaktiv mit dem anthropogenen Klimawandel und dessen Auswirkungen, und ist Mitinitiant der erwähnten Gletscherinitiave. Die Gründe für sein Engagement sind ebenso sympathisch wie naheliegend, und werden in seinem Werk ausformuliert: Eine überwältigende Mehrheit der weltweiten Wissenschaft ist sich einig, dass die Rate, mit welcher die Menschheit derzeit die fossilen Energieträger Kohle, Öl und Gas verbrennt, nicht nur massiv zur anthropogenen Erderwärmung beiträgt, sondern mit grosser Wahrscheinlichkeit eine Klimakatastrophe - mit unvoraussehbaren Folgen sogenannter Tipping Points bei Ökosystemen wie methanhaltigen Permafrostböden - auslösen wird. Andere menschengemachte Apokalypsen wie die derzeitige im Amazonasbecken oder die Torfbrände in Indonesien tragen zwar ebenso dazu bei, überschreiten jedoch die Systemgrenze dieses Buches.
Um diese Misere, falls überhaupt noch möglich, zu verhindern, fordert Hänggi radikale Alternativen und Lösungsvorschläge: Einerseits soll bis 2050 der Ausstoss von Klimagasen auf netto null reduziert werden (Umsetzung der eigentlich bereits vereinbarten Klimaziele von Paris 2015), andererseits müssen dazu die richtigen politische Instrumente gefunden werden, um diese Reduktion in fairer Weise zu vollziehen (bspw. neue CO2-Gesetze, -Abgaben, Cap & Trade-Systeme, etc.). Die politischen Gegner der nötigen Lenkungsinstrumente sind bekannt: Mehrheitlich die Rechte sowie die Liberalen (in der Schweiz die Parteien SVP, FDP, sowie Teile der CVP und der GLP), welche sich u.a. auf Argumente der individuellen Freiheitsrechte stützen und den Energiemarkt sich selbst überlassen wollen. Hänggi kontert auf Seite 210:
Die globale Klimaerwärmung vernichtet Lebensgrundlagen und damit zukünftige Freiheiten. Man ist nicht liberal, indem man nicht verbietet, was Freiheiten zersört.
In dieser Aussage steckt nur schon ein Hauptgrund, wieso ich unsere grünliberale GLP nicht wählen werde und ihre Umweltpolitik als mehrheitlich widersprüchlich und zu reaktiv empfinde. Aber zurück zum Buch, bevor ich politisch emotional werde: Hänggi gelingt es, erstens eine gute Übersicht über die bereits bestehenden Bemühungen (bspw. des IPCC der UN) zusammenzutragen, zweitens Instrumente vorzustellen, welche zur Lösung des derzeit grössten Dilemmas der Menschheit beitragen können. Und drittens begründet er zum Ende des Buchs, wieso er als Journalist unter der drückenden Beweislast und aufgrund der weitverbreiteten, politischen Untätigkeit (v.a. auch in der Schweiz) nun selbst aktiv wird.
Herzlichen Dank für ihren Mut, Herr Hänggi, ich freue mich auf den politischen Herbst und habe nun selbst bereits einige Unterschriftenbögen ausgedruckt. Aller Anfang ist klein, aber Anfang muss sein.
Klipp und klar wird hier ein Ausweg aufgezeigt mit welchem wir das Abkommen von Paris noch erfüllen könnten.
Ob sich endlich etwas tut, steht in den Sternen, aber es bleibt nichts weiteres übrig als weiter zu hoffen und bis dahin alles zu versuchen was in seiner Macht steht.
Wir alle wissen, dass es schädlich ist, und auch dass es Alternativen gibt. Es wird Zeit einfach "erwachsen" zu werden und zu tun was nötig ist...doch die Chancen stehen schlecht.