Zwischen The Cure, Jugendradio DT64 und den Anderen Bands
Our Darkness erzählt die Geschichte von Waver und Gruftis in den 1980ern - hinter der Mauer, in der DDR. Denn auch hinter den Eisernen Vorhang drang die Musik von The Cure, Anne Clark, Sisters of Mercy, Joy Division und vielen anderen. Ihr Markenzeichen: melancholische Musik, ausladende Frisuren und schwarze Kleidung.
Aus geschmuggelten Bravos und dem Jugendradio DT64 suchten sich Jugendliche in der DDR ab Mitte der 1980er ihre Informationen zur Waver- und Grufti-Jugendkultur zusammen, bastelten sich in vielen Stunden ihre eigenen Interpretationen der Outfits und schufen sich eine eigene kulturelle Heimat. Auch die zahlreichen Anfeindungen durch Faschos und den DDR-Sicherheitsapparat konnten die Ausbreitung dieser Jugendkultur nicht stoppen.
Turbulent und legendär war am 4. August 1990 das erste Konzert von The Cure in der Noch-DDR: ein Höhepunkt dieser Jugeendkultur. Mit dem ersten von Gruftis organisierten Wave-Gothic-Treffen im Mai 1992 in Leipzig schließt sich der Kreis.
Alexander (Sascha) Lange ist promovierter Historiker, Journalist und Autor aus Leipzig mit dem Schwerpunkt deutsche Geschichte und Jugendkulturen im 20. Jahrhundert. Zu diesen Themen publiziert er, hält Vorträge und ist wissenschaftlicher Berater für Gedenkstätten, Medien und Museen.
so toll!! ein toller abriss über die grufti und new wave jugendkultur in der DDR. was hat die jugendlichen zwischen DDR-tristesse, fdj, neuer düsterer musik auf DT46, die identifikation mit robert smith action-haarspray bewegt, wie haben sie ob ihrer begrenzten möglichkeiten sich selbst ausgelebt und welche hindernisse mussten sie überwinden? das buch ist super süß, humorvoll und trotzdem einfühlsam geschrieben, ich glaube sascha lange war bestimmt selbst mal waver-mäßig drauf. ich hab ihn im herbst '22 das buch auf ner lesung vorstellen sehen, in der moritzbastei leipzig und habs mir im anschluss direkt gekauft auch wenn die 30€ schon weh getan haben aber es hat sich so gelohnt. wenn eins sich für jugendkulturen und ostgeschichte interessiert, ist das perfekte schön bebilderte lektüre, die eins schnell durch hat. lesi-empfehlung <33
das buch hat mich auf mehreren langen bahnfahrten begleitet und eine heftige hyperfixierung auf meine geliebte subkultur befeuert – als unwissender westler noch dazu meine perspektive auf den osten deutschlands erheblich erweitert. hier und da hatte ich den eindruck, dass stark verkürzt wurde und ebenso ein umfassendes verständnis von den inneren mechanismen der grufti-kultur fehlt. vielleicht ist das auch einfach dem schwerpunkt auf das politische geschehen geschuldet. nichtsdestrotrotz ein sehr erhellendes, gut recherchierter schmöker, doch das allerallerbeste ist wirklich die formatierung: ich bin ehrlich, hin und wieder tu ich mich schwer mit dem lesen, das hat mitunter auch damit zu tun, dass mir die freiheit kurz zu pausieren sehr wichtig ist. eine unverbindlichkeit gegenüber der gedruckten seite. zeilensprünge und sätze, die von einem seitenschlag auseinander gerissen werden, waren schon immer treibstoff für meinen kleinen neurotischen motor. nicht hier! da wundere ich mich, wie ich nach monatelanger lesepause plötzlich am stück so viele kapitel verschlingen kann, bis ich das offensichtlichste realisiere... jedes blatt in diesem buch endet mit einem punkt. der satz endet vor der seite. kein umbruch, kein trennendes umblättern stören meinen lesefluss. herrlich! das nenne ich barrierefreies lesen. was für ein großzügiger dienst an den:die (neurodivergente) leser:in. die flexibilität, die damit gewährt wird, die möglichkeit, die lektüre ohne große umstände zu pausieren und wieder aufzunehmen, ist ein mir bisher unbekanntes privileg (außer vielleicht in der poesie), das ich wirklich ungern wieder ablegen möchte.
Auf Our Darkness bin ich durch Zufall gestoßen, da Autor Sascha Lange vor einer Weile eine Lesung in meiner Stadt abgehalten hat. Ich selbst bin durch meinen Vater (ebenfalls Ossi) mit Gruppen wie The Cure, Joy Division bzw. New Order, Dead Can Dance oder Siouxsie and the Banshees aufgewachsen und höre sie selbst bis heute, gemischt mit Dark Wave und Dark Techno. Die Lesung war sehr unterhaltsam, lehrreich und (obwohl ich viel später erst geboren wurde) auch für mich nostalgisch, bisweilen etwas melancholisch.
Das Buch ist ein unheimlich interessantes Sammelwerk an geschichtlichem Hintergrund, persönlichen Erfahrungsberichten von Waver*innen und etlichen Fotos und Scans relevanter Dokumente. Sascha Lange vereint mit Our Darkness (benannt nach dem legendären Song von Anne Clark) einmal mehr seine Expertise als promovierter Historiker mit Schwerpunkt Jugendkulturen und sein Hobby. Zusammen mit Dennis Burmeister ist diese düstere, melancholische, amüsant geschriebene Reise in Buchform herausgekommen. Für einige in die eigene Jugend, in die eigene Vergangenheit. Für andere (wie mich) eine Zeitreise in selbst nicht erlebte, aber sehr faszinierende Zeiten.
Egal, inwiefern ihr schon einmal einen Bezug zu dem Thema hattet – sei es musikalisch, durch den alten Osten oder dass ihr selbst in der Szene unterwegs seid/wart… Es gibt viel Neues und Altes zu erfahren. Manch einer staunt von außen oder von der Gegenwart aus, wie viel Kreativität, Eigensinn und Mut die Waver- und Grufti-Szene in der DDR an den Tag gelegt hat, um ihre Musik hören und ihre Jugendkultur ausleben zu können. Welche Rolle der Stasi-Apparat gespielt hat. Inwiefern sich die Waver- und Grufti-Szene (wenn auch unbewusst und ungewollt) gegen Gendernormen gestellt und u. a. Queerfeindlichkeit erfahren hat. Aktuell wohne ich in Erfurt und habe mich gefreut, hier und da Details speziell für diese Stadt zu erfahren.
Als besonders bereichernd empfand ich beim Lesen die Berichte von Anhänger*innen der damaligen Szene. Diese sehr expliziten, spezifischen Berichte ergänzen den geschichtlichen Aspekt des Buches, oft auch mithilfe von Fotos aus privaten Sammlungen. Schließlich kann man sich besonders die Haarpracht ohne Bildmaterial nur halb so gut vorstellen! Ich habe auch ein kleines Faible für alles Düstere, Melancholische und einige der Fotos sind einfach nur herrlich atmosphärisch und wunderschön, hach…
Was soll ich noch sagen: Ganz große Leseempfehlung! Erstrecht an alle unter euch, die sich mit dieser Thematik bis jetzt noch gar nicht auseinandergesetzt haben. Vielen Dank an Sascha Lange für den kleinen Plausch nach der Lesung und die Signatur des Buches. Das nächste Mal nehme ich definitiv meinen Vater mit, damit wir zusammen zeit- bzw. zurück in die Vergangenheit reisen können.