Die Volksparteien sind in der Defensive. In den Jahren der großen Koalitionen hat sich der politische Meinungsstreit an die Ränder des politischen Spektrums verlagert. Sie werden immer stärker, während die politische Mitte weithin sprachlos bleibt. Die SPD befindet sich im freien Fall, doch auch die CDU verliert immer weiter an Wählerzuspruch - eine hochbrisante Entwicklung für das Parteiensystem und die parlamentarische Demokratie, wie wir sie kennen. Wie aber könnte ein neuer und zeitgemäßer Konservatismus aussehen, der diesen Trend umkehrt? Andreas Rödder analysiert zunächst die aktuelle Lage der deutschen Demokratie und definiert dann den Kern konservativen Denkens, um einen Konservatismus der Zukunft in zehn Thesen auf die konkreten Politikfelder von der Europapolitik und den großen Themen Migration, Umwelt und Bildung bis hin zum Lieblingsthema der rechten Heimat und Patriotismus. „Konservativ 21.0“ ist eine brillante Analyse der konservativen Defizite, an denen die Politik heute krankt, und zugleich ein leidenschaftlicher Appell, sich nicht ins populistische Bockshorn jagen zu lassen.
Macht liberalen Konservativismus nahbar für jene, die ihm fern sind und lässt die Anhänger dieser Gesinnung sie neu kennenlernen und hinterfragen.
Besonders im Kopf blieben die Einordnung linken und rechten Extremismus über deren jeweilige Moralisierungsplattformen und der Abschnitt, welcher die deutsche Leitkultur definiert.
Es gibt in meiner Wahrnehmung wenig Bücher, die sich mit dem Konservatismus beschäftigen. Insbesondere solche, die über den Konservatismus wohlwollend schreiben. In diesem Eindruck wollte ich ein Buch lesen, wo ein zumindest von Friedrich Merz auserkorener Vordenker des Konservatismus diesen beschreibt. Der interessanteste Teil des Buchs ist der Anfangsteil in dem Konservatismus beschrieben wird. Hier hätte der Autor mehr in die Tiefe gehen können. Rödder orientiert sich stark an einer englischen parlamentarischen Tradition des Konservatismus, die in der Figur eines Edmund Burke ihren Ursprung findet. Anhand der historischen Entwicklung zeichnet er einen konservativen Binnenpluralismus, wo sich Traditionalisten - die eine Vergangenheit bewahren möchten, Reaktionäre - die sie wiederherstellen wollen und Anpasser - die den Wandel auf ein akzeptables Maß inkrementell reduzieren und so mehrheitsfähig machen wollen. Rödder gilt als Vertreter einer konservativen bürgerlichen Richtungsidee für die CDU. Dementsprechend finden die katholischen Wurzeln der Christdemokratie zwar Erwähnung, werden jedoch als beiläufig abgetan, als wäre die Christdemokratie keine eigene Idee sondern ein Branding-Gag nachdem der Begriff konservativ nach dem Nationalsozialismus verbrannt schien. Statt des Christdemokraten beschreibt Rödder den Liberal-Konservativen als Konservativen auf dem Boden der parlamentarischen Ordnung. Für diesen gelten Prinzipien wie die Inkrementalität politischen Wandels, der Suche nach Maß und Mitte und einer Skepsis vor allgemeingültigen Wahrheiten. Während Rödder ein Bedürfnis nach Abgrenzung der Konservativen und einer deutlicheren Unterscheidbarkeit betont, die nach der Ära Merkel notwendig sei, erschließt sich mir nicht, wie die Rödder'sche Definition Liberalkonservativer nicht auch für Grüne Realos und Sozialdemokratische Seeheimer anschlussfähig sein soll. Dafür ist sie sehr allgemein und es fehlt die Tiefe. Die politischen Thesen zu diversen Themenfeldern sind hingegen weniger beachtenswert. Es finden sich die klassischen Schlagwörter wieder. Der Lektüre gewind man wenig tiefgründigeres. Stattdessen hätte Rödder den Anfangsteil ausbauen können.