Literatur muss nicht kompliziert oder voll von Fremdwörtern und langen Sätzen sein. Das hat schon die erste Sammlung von Geschichten in Einfacher Sprache gezeigt. Alle können mit Geschichten in Einfacher Sprache etwas Neues erfahren. Einfache Sprache ist eine Sprache, die wir verlernt haben. Der Herausgeber Hauke Hückstädt hat das Experiment fortgesetzt und 12 namhafte dafür gewonnen. Immer mit dem Wunsch, dass alle Menschen Literatur von Tonio Schachinger oder Sasha Marianna Salzmann lesen und hören können.
Vollständige Liste der Ferda Ataman, Christoph Biermann, Paul Bokowski, Elisa Diallo, Saskia Hennig von Lange, Miku Sophie Kühmel, Kristof Magnusson, Annette Pehnt, Tonio Schachinger, Sasha Marianna Salzmann, Julia Schoch, Wolfgang Schorlau
Vollständige Liste der Ferda Ataman, Christoph Biermann, Paul Bokowski, Elisa Diallo, Saskia Hennig von Lange, Miku Sophie Kühmel, Kristof Magnusson, Annette Pehnt, Tonio Schachinger, Sasha Marianna Salzmann, Julia Schoch, Wolfgang Schorlau, Bettina Kurth, Max von Pufendorf
Um ehrlich zu sein, mir erscheinen diese Kurzgeschichten etwas seelenlos. Das liegt gar nicht an der Einfachen Sprache, sondern weil die Autor_innen überfordert sind, mit einfachen Worten gute Geschichten zu erzählen. Es wirkt fast so, als würde die einfache Form einen gewissen literarischen Dilettantismus auf dem Gebiet der Erzählungen entlarven. (Was nicht wirklich überrascht, da Erzählungen nicht unbedingt zur Stärke der deutschen Literaturlandschaft zählen - leider)
Enervierend sind vor allem die offensichtlich didaktischen Absichten der Geschichten, so dass sich das Missverhältnis zwischen Autor_innen und potentiellen Adressat_innen unangenehm erhöht. Ohnehin stellt sich durchgehend die Frage, warum den Lesenden der Anthologie so wenig an eigenen verstehenden Kompetenzen zugemutet wird. Sollte Literatur die Lesenden nicht herausfordern und sie in besonderer Weise dazu auffordern, selbst Bedeutungen zu generieren. Meiner Ansicht nach sollte Literatur in Einfacher Sprache auch partizipatorisch in dem Sinne sein, dass sie Selbstermächtigung durch literarische Texten fördert. Das funktioniert aber nicht, wenn Kurzgeschichten sich an Informationstexten orientieren und dadurch Weltdeutung vorgeben. Texte in Einfacher Sprache sind leider immer mit evaluativen Urteilen angereichert, was die Asymmetrie zwischen Textproduzent_in und -rezipient_in verstärkt. Aber genug der Theorie. Eine vertiefte theoretische Aufeinandersetzung hätte den Mitwirkenden jedenfalls definitiv gut getan.
Gleichzeitig fallen Formulierungen wie: "Wenn man heute einem Kind erklärt, wie eine Telefonzelle aussieht, muss man sagen: ..." was ein sehr überholtes Bild von behinderten Menschen offenlegt (Stichwort Infantilisierung) und die Problematik des hier vorliegenden Werkes noch verschärft. Die Geschichten sind überexplikativ, entwickeln kaum einen Erzählfluss, schlingern herum und treten teilweise wie auf der Stelle. Oft ist unklar, was hier erzählt werden soll. Was paradoxerweise nicht unbedingt zu einer besseren Verständlichkeit führt.
Ich war vom ersten Band damals wesentlich angetaner und habe ein paar Geschichten noch recht gut und positiv in Erinnerung. Allerdings hat sich seitdem mein Wissen bezüglich Leichter und Einfacher Sprache auch vergrößert. Mir fehlte in "LiES! Das zweite Buch" vieles: der Mut zum Nicht-Verstehen, der Widersprüchlichkeit von Literatur mehr Rechnung zu tragen, eine angemessene Balance hin zum Vertrauten und und und. Von etablierten Autor_innen und Kulturschaffenden erwarte ich mehr. Schade.