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Ich an meiner Seite
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Birnbacher, Bachmann-Preisträgerin 2019, erzählt die Geschichte des jungen Arthur, der gerade aus der Haft entlassen wurde und mit Hilfe eines experimentellen Resozialiserungsprogramms mit Namen "Starring" ins bürgerliche Leben finden soll. Das "Starring"-Konzept, entwickelt vom kauzigen (sic!) Dr. Vogel a.k.a Börd, verlangt von den Programmteilnehmern, dass sie die Vorstellung einer Idealversion ihrer selbst entwickeln, der sie in ihrem realen Verhalten nacheifern können. Arthur erkennt aber recht schnell, dass er nicht ein anderes, besseres Ich werden, sondern einen neuen Zugang zu seinem eigentlichen Ich finden muss: Er braucht sich an seiner Seite, er muss seine eigene Geschichte verarbeiten.
Auffällig an dem Roman ist vor allem seine fragmentarische Konstruktion: Immer wieder werden Rückblenden eingeführt, die beleuchten, wie es zu Arthurs Verurteilung kommen konnte, welches Leben er vor der Haft geführt und was ihn geprägt hat. Teilweise werden diese Rückblenden als Arthurs Gedanken, teilweise als transkribierte Tonprotokolle eingefügt, welche er im Rahmen der Therapie für Börd aufnehmen muss. Einen wichtiger Teil der Erzählung sind zudem Arthurs zwischenmenschliche Beziehungen, etwa zu seinen Eltern, Freunden, einer Palliativpatientin und auch zum eigensinnigen Exzentriker Börd, zu dessen Hobbys offenbar Alkohol und Purzelbäume gehören.
Birgit Birnbacher ist nicht nur studierte Soziologin, sondern war selbst jahrelang als Sozialarbeiterin tätig - ihre Hauptfigur Arthur hat sogar ein reales Vorbild. Diesen Realismus merkt man dem Roman an, denn er driftet nie in den Sozialkitsch oder die weinerliche Gesellschaftskritik ab. Arthur ist ein wahrhaftiger Protagonist, der zwar offensichtliche Fehler begeht, aber auch verdeutlicht, wie es dazu kommen kann, dass ganz normale Menschen schlechte Entscheidungen treffen, die ihnen und ihrer Umwelt massiv schaden. Die vielen Sprünge und die nüchterne Sprache verlangen dem Leser einiges ab, aber trotzdem ist dies ein sehr lesenswerter Roman.
Mehr Infos zum Buch gibt es in dieser regulären Podcast-Folge und im Papierstau Podcast Buchpreis Battle Royale, #1.
Birnbacher, Bachmann-Preisträgerin 2019, erzählt die Geschichte des jungen Arthur, der gerade aus der Haft entlassen wurde und mit Hilfe eines experimentellen Resozialiserungsprogramms mit Namen "Starring" ins bürgerliche Leben finden soll. Das "Starring"-Konzept, entwickelt vom kauzigen (sic!) Dr. Vogel a.k.a Börd, verlangt von den Programmteilnehmern, dass sie die Vorstellung einer Idealversion ihrer selbst entwickeln, der sie in ihrem realen Verhalten nacheifern können. Arthur erkennt aber recht schnell, dass er nicht ein anderes, besseres Ich werden, sondern einen neuen Zugang zu seinem eigentlichen Ich finden muss: Er braucht sich an seiner Seite, er muss seine eigene Geschichte verarbeiten.
Auffällig an dem Roman ist vor allem seine fragmentarische Konstruktion: Immer wieder werden Rückblenden eingeführt, die beleuchten, wie es zu Arthurs Verurteilung kommen konnte, welches Leben er vor der Haft geführt und was ihn geprägt hat. Teilweise werden diese Rückblenden als Arthurs Gedanken, teilweise als transkribierte Tonprotokolle eingefügt, welche er im Rahmen der Therapie für Börd aufnehmen muss. Einen wichtiger Teil der Erzählung sind zudem Arthurs zwischenmenschliche Beziehungen, etwa zu seinen Eltern, Freunden, einer Palliativpatientin und auch zum eigensinnigen Exzentriker Börd, zu dessen Hobbys offenbar Alkohol und Purzelbäume gehören.
Birgit Birnbacher ist nicht nur studierte Soziologin, sondern war selbst jahrelang als Sozialarbeiterin tätig - ihre Hauptfigur Arthur hat sogar ein reales Vorbild. Diesen Realismus merkt man dem Roman an, denn er driftet nie in den Sozialkitsch oder die weinerliche Gesellschaftskritik ab. Arthur ist ein wahrhaftiger Protagonist, der zwar offensichtliche Fehler begeht, aber auch verdeutlicht, wie es dazu kommen kann, dass ganz normale Menschen schlechte Entscheidungen treffen, die ihnen und ihrer Umwelt massiv schaden. Die vielen Sprünge und die nüchterne Sprache verlangen dem Leser einiges ab, aber trotzdem ist dies ein sehr lesenswerter Roman.
Mehr Infos zum Buch gibt es in dieser regulären Podcast-Folge und im Papierstau Podcast Buchpreis Battle Royale, #1.
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Alexandra
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May 07, 2020 09:57PM

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Du weißt, ich hab stetig ein Auge auf Eure Literaturszene, da ist einfach IMMER was Spannendes auf der Platte!!! :-)


Tja, hier wird knallhart geurteilt, Semjon! ;-) Das Buch ist aber wirklich interessant.