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Kindle Notes & Highlights
wie wenige Tage deiner Absicht gemäß verlaufen sind, wie selten du mit dir selbst Umgang gepflogen, wie selten du dein wahres Gesicht gezeigt, wie oft dein Gemüt verzagt hat; frage dich, was du in dieser langen Lebenszeit tatsächlich geleistet, wie viel dir von deinem Leben durch andere weggenommen worden, ohne dass du den Verlust gewahr wurdest, wie viel dir vergebliche Trauer, törichte Freude, unersättliche Begierde, der Reiz der Geselligkeit Zeit geraubt, wie wenig dir von dem Deinigen geblieben – und du wirst einsehen, dass du stirbst, ehe du reif bist.“
Wer soll den Dingen gerade den Lauf geben, den du ihnen bestimmst? Schämst du dich nicht, nur den Rest deines Lebens für dich zu behalten und dir für dein geistiges Wohl nur diejenige Zeit vorzubehalten, die sich zu nichts mehr verwenden lässt? Welche Verspätung, mit dem Leben anzufangen, wenn man aufhören muss!
hinausgeht: „Wann“, ruft er aus, „wird die Sache vertagt werden?“ Es überstürzt ein jeder sein Leben, leidet an Sehnsucht nach der Zukunft und an Überdruss an der Gegenwart. Aber der, welcher keinen Augenblick vorübergehen lässt, ohne ihn zu seinem Heil zu verwenden, der jeden Tag so nützlich verwendet,
Die sind nicht der Muße ergeben, deren Vergnügungen viele Vorbereitungen nötig machen. Denn was die betrifft, die sich unfruchtbaren literarischen Studien hingeben, so herrscht wohl kein Zweifel, dass dies nur geschäftiges Nichtstun ist; die Schar dieser Leute ist auch bei den Römern schon ziemlich groß. Es war ein krankhaftes Bestreben der Griechen, zu untersuchen, wie viele Ruderknechte Ulixes gehabt habe, was früher abgefasst sei, die Ilias oder die Odyssee, überdies, ob der Verfasser beider der nämliche sei, und noch manches andere dieser Art, das, wenn man es bei sich behält, als stiller
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Ein Jammer, dass auch die Römer die eitele Sucht ergriffen hat, sich mit überflüssigem Lernstoff zu belasten. Dieser Tage erst hörte ich einen Vortrag über das Thema: „Was haben einzelne römische Heerführer zuerst Neues eingeführt?“ Duilius war der erste, der in einer Seeschlacht siegte, Curius Dentatus der erste, der Elefanten im Triumph aufführte. Diese Mitteilungen besagen zwar nichts für den Ruhm; immerhin aber bieten sie doch Beispiele von Leistungen unserer Mitbürger: Nutzen darf man sich von solchem Wissen nicht versprechen; doch fesselt uns der Glanz dieser an sich nichtigen Dinge.
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ganz haltlosen Zustand und wissen nicht, wie sie darüber verfügen oder wie sie es damit zu Ende bringen sollen; daher suchen sie nach irgendwelcher Beschäftigung, und die ganze Zwischenzeit ist ihnen eine wahre Last, ganz ähnlich der Stimmung vor einem, auf einen bestimmten Tag angekündigten Gladiatorenspiel oder sonstigen Schauspiel oder Vergnügen: Sie möchten über die dazwischen Hegenden Tage am liebsten mit einem Sprunge hinüber sein.
Denn alles, was wir dem Zufall verdanken, ist ohne Bestand, und je ansehnlicher die Höhe ist, zu der es sich erhebt, umso mehr neigt es zum Untergang.
Lass nun die Muße das Versuchsfeld sein für ihre Leistungsfähigkeit! Der größere Teil deiner Lebenszeit, wenigstens der bessere, mag dem Staate gewidmet gewesen sein; etwas von der dir gegönnten Zeit nimm auch für dich in Anspruch. Es ist keine träge und untätige Ruhe, zu der ich dich einlade. Du sollst den Schwung deiner lebhaften Geisteskraft nicht untergehen lassen in Schlaf und Lustbarkeiten, wie sie der große Haufe liebt: Das heißt nicht der Ruhe pflegen. Du wirst Aufgaben finden, größer als alle Leistungen, die du bisher in strenger Pflichttreue vollzogen hast, Aufgaben, an deren Lösung
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