Max & Jakob: Kann ich nicht sagen, muss ich nackt sehen
Lieber Max, lieber Jakob,
das angeblich ehrlichste Buch der Welt verdient eine ehrliche Rezension: Es hat mir nicht gefallen, weder was ihr schreibt noch wie.
Das Wie ist schnell bewertet: Eure Nachrichtenwechsel klingen verkrampft, als hätte euch jemand zugerufen: "Seid mal spontan!" Die meisten haben keinen runden Schluss, sondern hören irgendwo auf, weil euch nichts mehr einfiel. Die Seiten mit kurzen Fragen und je einer Antwort von Max und Jakob lesen sich besser. Hier glänzt ihr stellenweise mit Humor. Auch die längeren Texte, die jeweils nur einer von euch geschrieben hat, lesen sich besser. Nicht überragend gut, aber besser.
Der Stil war auszuhalten. Was mich stört an eurem Buch ist die Grundeinstellung: der reine Hedonismus. Was Spaß macht, scheint erlaubt zu sein in eurem Weltbild. Habt ihr von daheim keine Werte mitbekommen? Ohne Reue schreibt ihr darüber, Herzen gebrochen und Mädchen in die Therapie geschickt zu haben. Zwischendurch versteigt ihr euch in Pseudo-Psychologie, wie sie Freud nicht schöner zusammenphilosophiert hätte. Wenn alle Männer so denken, dann gute Nacht.
Max jammert über seine Langzeitbeziehung. Da klingt zum ersten Mal etwas Reife durch: Meine Tochter, meine Verantwortung. Fehlt noch der nächste Schritt: Meine Familie, meine Verantwortung. Die Frau gehört dazu. Du willst deine Kinder nicht ohne Vater aufwachsen lassen. Aber willst du sie aufwachsen lassen mit Eltern, die sich bloß noch anschreien? Und wenn dich, lieber Max, der Weg zur Kita jedesmal langweilt und nervt, warum gehst du dann mit? Warum bringt deine Freundin die Kinder nicht alleine hin, oder du selbst? Schon wäre es gelöst, das Problem mit den tratschenden Kitamuttis.
Jakob erzählt von einer ungeplanten Vaterschaft. Bei der Überschrift dachte ich an ein gerissenes Kondom. Ihr habt bewusst nicht verhütet. Wenn das keine geplante und gewollte Vaterschaft ist, was ist dann eine?
Die Hörer eures Podcasts scheinen viele Fragen geschickt zu haben. Einige davon beantwortet ihr im Buch. Wegen dieser Teile hätte ich es gerne weggelegt und nicht mehr aufgeschlagen. Immer wieder schreibt ihr, dass ihr nicht werten wollt - und wertet dann doch, verdruckst und hintenrum. Gurgelt ihr morgens mit Weichspüler? In was für einer Gesellschaft leben wir, dass ihr glaubt, nicht urteilen zu dürfen über eine Frau, die ihrem Mann ein Kuckuckskind untergeschoben hat? Ihr verurteilt sie ja trotzdem mit euren Fragen. Steht zu eurer Meinung oder schreibt sie nicht.
Hochachtungsvoll
Christina Widmann de Fran

Kann ich nicht sagen, muss ich nackt sehen
erschienen: 2019 beim Penguin-Verlag
ISBN: 978-3-328-10387-5
Erhältlich auf Amazon.de.
Den Podcast Beste Freundinnen findet ihr hier.


