Anne-Bärbel Köhle, Dr. Stefan Rieß: Das Dalai-Lama-Prinzip für Eltern
Liebe Frau Köhle, lieber Herr Dr. Rieß:
gestressten Eltern verschreiben Sie Verständnis, Akupressur und Achtsamkeitsübungen. Das klingt gut und schön, wenn auch wenig praxistauglich. Aber völlig verkehrt klingen die Situationen, die Sie als Beispiele bringen: ein Zweijähriger, der im Bus andere Fahrgäste belästigt, beim Anziehen davonläuft, im Restaurant nicht stillsitzen kann. Der sich steif wie ein Brett macht, wenn etwas nicht nach seinem Kopf geht. Sie stellen das als ganz normalen Alltag da. Nein, meine Dame und mein Herr, das ist nicht normal. Man sieht es an Familien aus anderen Kulturkreisen, die keine 68er-Bewegung durchgemacht haben. Die Kinder sitzen im Bus brav auf ihrem Sitz, im Restaurant essen sie mit Appetit und Tischmanieren, und ich wette, das Anziehen geht jeden Morgen ruck-zuck.
Wenn ein Zweijähriger noch nicht weiß, dass man sich außer Haus anders benimmt als daheim und dass Mama und Papa das letzte Wort haben, dann haben die Eltern ihre Rolle verfehlt und ihre Arbeit nicht gemacht. Wenn ein Kind im Restaurant zwischen den Tischen herumrennt und die Leute belästigt, dann sollten seine Erzeuger nicht zuschauen und Achtsamkeit üben, sondern einmal gründlich darüber nachdenken, was es bedeutet, Eltern zu sein.
Was Sie in Ihrem Buch beschreiben, ist Symptomdoktorei. Statt künstlich die Eltern zu entstressen, müssen wir uns wieder klar machen, was es bedeutet, Kinder zu erziehen. Es bedeutet, ihnen die Grundregeln des Zusammenlebens beizubringen. Ja, Liebe und Respekt sind wichtige Werte. Aber diese Werte müssen wir den Kindern nicht nur entgegen- sondern beibringen. Es reicht nicht, wenn wir Respekt vor unseren Kindern haben. Die Kleinen müssen Respekt vor ihren Eltern haben. Wer ihnen den nicht beibringt, der liebt kurzsichtig. Denn aus unmöglichen Kindern werden Erwachsene, die kein Mensch mag.
Hochachtungsvoll
Christina Widmann

Das Dalai-Lama-Prinzip für Eltern: Erziehen mit Liebe und Respekt von Anne-Bärbel Köhle und Dr. Stefan Rieß
erschienen: 2007 beim Mosaik-Verlag
Ich danke für ein Rezensionsexemplar.
ISBN: 978-3-641-12725-1
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